Eine Quelle lebendigen Wassers

Guten Morgen! Es ist wunderschön, dass wir heute zusammenkommen. Wir sind hier ins Gemeindezentrum gekommen. Vielleicht hat das uns ein bisschen Überwindung gekostet. Warum aufstehen statt ausschlafen, ist doch heute keine Schule und keine Arbeit? In meinem Fall: Ich bin mit dem Zug hierhergekommen, obwohl ich im Zug auch schon äusserst unliebsame Begegnungen mit unbekannten Menschen gehabt habe. Und ich sage: Das ist erst der Anfang. Zum Glück! Wir werden Grenzen überwinden. Den eigenen Unglauben. Die Hemmschwellen, andere Menschen auf Jesus anzusprechen. Sein Wort weiterzugeben. Denn Jesus hat zuerst alle Hindernisse überwunden! Er hat die Grenze, die uns Sünder von Gott trennte, durchbrochen mit seinem Tod am Kreuz. Und er bricht Tabus, knackt gesellschaftliche Schranken, hat keinerlei Berührungsängste, scheut keine Mühe, wenn es darum geht, Menschen zu ihm zu bringen. Zu ihnen zu kommen, von sich aus. Selbst zu den von ihm fernsten, den Hoffnungslosen, den sich verloren Glaubenden. Um ein solches Überwinden und um eine besondere Jesus-Begegnung geht das heutige Wort.

Lesen wir zusammen den Titel meiner Botschaft: «Eine Quelle lebendigen Wassers». Und lesen wir gemeinsam den heutigen Leitvers, Vers 14:

wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.

Johannes 4,14

Wie ihr das von mir kennt, möchte ich auch diesmal zu Beginn eine kurze Geschichte erzählen. Vor noch nicht langer Zeit war in einem Dorf in den Voralpen ein grosser Felsblock, der mitten ins Dorf geraten war. Er stand gleich an der Hauptstrasse am Eingang des Dorfes. Der Felsblock war äusserst unansehnlich und hässlich. In verschiedenen Braun- und Rottönen, die überhaupt nicht zueinander passten. Mit Gesteinseinschlüssen, die an Würmer erinnerten. Die Bewohner sahen ihn als Schandfleck in ihrem ansonsten schmucken Dorf an. Sie vermieden es nach Möglichkeit, ihn anzuschauen. Dazu kam nach einiger Zeit noch, dass Fritz, ein Trinker, aber beliebter Geselle, eines Abends mit seinem Auto in den Felsblock gerast und später an den Unfallfolgen gestorben war. Alle hassten diesen Felsen; das wurde zur Gewohnheit im Dorf. Nur einer hasste ihn nicht: ein kleiner Junge namens Vitus. Denn der hatte eines Abends, als er vom Spielen nach Hause gegangen war, den Felsblock leuchten sehen. In Grün, seiner Lieblingsfarbe. Das erzählte er aber nur seiner Familie… Eines Tages meldete sich hoher Besuch aus der Hauptstadt an. Die Leute im Dorf waren erfreut darüber. Aber auch erschrocken: Der Besuch würde als Erstes den potthässlichen Felsbrocken sehen! Sie berieten sich, was zu tun war. Den Brocken sprengen? Ihn anmalen? Ihn mit einer übergrossen Plane überdecken? Warum waren sie eigentlich vorher nie auf eine solche Lösung gekommen? Sie einigten sich auf das Sprengen; Franz, der Sprengmeister, wollte am Folgetag zur Tat schreiten. Doch an dem Abend kam Vitus zu seinem Vater, der Bildhauer war. Er fragte ihn: «Papa, willst du nicht den Felsblock behauen? Ihm noch eine Chance geben? Er hat ja grün geleuchtet. Vielleicht ist da Licht drin, oder er ist drinnen grün?» Der Vater liess sich überreden. Er ging gleich mit seinem Sohn zusammen hinaus, mit Werkzeug ausgestattet. Und begann zu meisseln. Er machte eine grossflächige Vertiefung in den Felsbrocken. Und staunte nicht schlecht: Da kam schwarzweisses Gestein zum Vorschein. Das Weiss glitzerte. Das waren jede Menge Kristalladern! Welchen Reichtum hatte der hässliche Felsbrocken die ganze Zeit geborgen, und niemand hatte das gewusst! Angelockt vom Geräusch des Meisselns, kamen nach und nach alle Dorfbewohner zusammen. Und sahen den vielen Kristall im Felsblock! Da sah man natürlich ab von einer Sprengung. Legte noch so viel Kristall offen, wie Zeit dazu war. Und so bewunderte der hohe Besuch den Felsbrocken. Nur fragte er sich, warum denn niemand den Kristall abtrug; mit dem liess sich doch ganz viel Geld machen?

Nicht immer sind die Dinge, und die Menschen, so wie es scheint. Ein Blick hinter die Fassaden, hinter die Vorurteile, hinter die vorgefassten und traditionellen Ansichten, lohnt sich immer. Jesus blickte und blickt immer hinter die Oberfläche. Direkt mitten in unser Herz. Hinter bösen, wütenden Menschen sieht er die empfindsame, durch die begangene Schuld verletzte Seele. In verschrobenen Typen erkennt er das Potenzial, ihm dienlich sein zu können. Und in morallosen, einsamen Halb-Heidinnen an einem Brunnen sieht er den geistlichen Durst, den sie tief in sich haben…

Teil 1: Gib mir zu trinken! (Verse 1-15)

Lesen wir gemeinsam die Verse 1 bis 4: «Als nun Jesus erfuhr, dass den Pharisäern zu Ohren gekommen war, dass er mehr zu Jüngern machte und taufte als Johannes – obwohl Jesus nicht selber taufte, sondern seine Jünger –, verliess er Judäa und ging wieder nach Galiläa. Er musste aber durch Samarien reisen.» Wir erinnern uns: Das Verhältnis zwischen den Jüngern des Johannes und denen von Jesus war angespannt. Es war auch schon zu Streit gekommen zwischen ihnen und mit traditionellen Juden. Jesus gewann immer mehr an Einfluss. Das rief die Pharisäer auf den Plan, die bei ihm Konkurrenz witterten. Denn auch sie hätten gerne so viele Jünger um sich geschart. Jesus wich ihnen aus. Er würde noch genug früh mit ihnen konfrontiert werden. Daher ging er wieder nach Galiläa. Der direkte Weg dahin führt durch Samarien. Viele Juden, zumindest die konservativen und strenggläubigen, umgingen das Gebiet. Denn in Samarien lebte ein Mischvolk von Juden und Heiden. Menschen, die Elemente des jüdischen Glaubens mit heidnischen Elementen mischten und die Jerusalem nicht als den Ort anerkannten, an dem der Name des HERRN wohnte. Seit vielen hundert Jahren, genauer seit der Zeit von Davids Enkel Rehabeam, lebten Juden und Nichtjuden in dem Gebiet und heirateten untereinander. Denn damals war es wegen des Königs von Nordisrael, Rehabeam, zu Krieg, Vertreibung und zur Ansiedlung fremden Volkes in Samarien gekommen. Mit den Menschen aus diesem Gebiet wollten die Juden also nichts zu tun haben. Ausser wer? Jesus! Er musste durch Samarien reisen. Nicht aus Zeitgründen. Sondern um einen Ort zu besuchen. Um einer Frau dort zu begegnen, die nach der Wahrheit und der Liebe Gottes suchte. Die Sehnsucht nach Erfüllung und Anbetung im Herzen hatte. Nicht eine Jüdin, nicht ein Mann, sondern eine samaritische Frau. Jesus überwand alle gesellschaftlich-moralischen Hürden, um ihr zu begegnen. Für sie nahm er alle Mühen auf sich. So ist Jesus: Nichts ist ihm zu aufwändig, zu schwierig, zu umständlich, um zu einem Menschen zu kommen, um eine Seele zu retten!

Jesus kam nahe an eine Stadt namens Sychar. Dort war das Feld, das Jakob einst seinem Sohn Josef gegeben hatte, und ein Brunnen, den Jakob gegraben und seinen Nachkommen überlassen hatte. Jesus, der ja einen menschlichen Körper hatte, war müde vom Reisen. Einen halben Tag lang waren er und seine Jünger pausenlos gewandert, und die Wege waren damals noch nicht geteert und mussten für die Füsse wie Wanderwege gewesen sein. Daher ruhte sich Jesus nun am Brunnen aus. Indessen gingen seine Jünger in die Stadt, um Essen zu kaufen, und Jesus wartete am Brunnen auf sie. Es war heisser Mittag, etwa zwölf Uhr. Normalerweise bewegte sich in dieser flirrenden Hitze keine Menschenseele nach draussen. Die Frauen, die Wasser schöpfen gingen an dem Brunnen, kamen am Morgen, wenn es noch nicht so heiss war. Mit einer Ausnahme; lesen wir zusammen den Vers 7: «Da kommt eine Frau aus Samarien, um Wasser zu schöpfen. Jesus spricht zu ihr: Gib mir zu trinken!» Es stimmt, Jesus hatte nichts, um aus dem Brunnen Wasser zu schöpfen. Aber als der HERR hätte er alle Möglichkeiten gehabt, zu Wasser zu kommen. Doch wegen der Frau stellte er sich, demütig wie er war, wie ein durstiger Wandersmann. Mit der göttlichen Weisheit wusste er, wie er die Frau ansprechen konnte. Diese Frau brauchte Wasser und kam, um es zu schöpfen. Darum holte Jesus sie in ihrer Welt ab, sprach vom Wasser. Er bat sie, ihm welches zu schöpfen. So stellte er die Beziehung zwischen ihnen beiden her. Die Frau war vollkommen überrascht. Sie reagierte dementsprechend: «Wie, du bittest mich um etwas zu trinken, der du ein Jude bist und ich eine samaritische Frau?» Diese Frau war vollkommen den Strukturen und Regeln ihrer Gesellschaft verhaftet. Und die sagten nun mal, dass die Juden keine Gemeinschaft mit den Samaritern hatten. Und ein jüdischer Mann sprach keine Frau an, schon gar nicht in der Öffentlichkeit. Übrigens gibt es das noch heute: Manche orthodoxen Juden sprechen keine Frauen an im öffentlichen Raum, wenn sie nicht unbedingt müssen. Dies hat meine Freundin Nadja im Wallis beobachtet. Ihre Mutter haben sie angesprochen, weil sie Kellnerin im Restaurant war; andere Frauen aber haben sie angeschwiegen, was Nadja etwas seltsam vorkam.

Jesus liess sich von der Ablehnung der Frau nicht beirren. Nicht Verletzung oder Verärgerung war in seinem Herzen, sondern reine Liebe für diese Frau. Der Wille, sie zu lehren und ihr zu helfen, sich auf den Weg des Glaubens zu begeben. Lesen wir zusammen den Vers 10: «Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn und er gäbe dir lebendiges Wasser.» In einer anderen Bibelübersetzung beginnt dieser Vers so: «Wenn du erkennen würdest, was Gott dir geben will…» Was wollte Jesus, Gottes Sohn, ihr geben? Lebendiges Wasser. Liebe, Worte und Lehren, die ihren Lebensdurst stillen und ihrer Seele Ruhe geben konnten. Er bot ihr die persönliche Beziehung mit ihm und mit seinem Vater im Himmel an. Wasser, das kein Brunnen der Welt geben kann, sondern nur der HERR, und das uns neu und wahrhaftig lebendig macht. Die Frau verstand nicht. Aber dennoch begann sie langsam zu ahnen, dass sie da keinen einfachen Wandersmann vor sich hatte. Darum sprach sie ihn denn auch mit «Herr» an. Fragte ihn, woher er denn lebendiges Wasser habe, wenn er doch nicht einmal etwas zum Schöpfen dabeihatte. Zudem war der Brunnen tief; etwa so tief, wie ein zweistöckiges Wohnhaus hoch ist. «Bist du mehr als unser Vater Jakob, der uns diesen Brunnen gegeben hat?», fragte die Frau. Offenbar war sie stolz darauf, ein Nachkomme Jakobs zu sein. Sie reihte sich in die Geschichte der Nachkommen Abrahams ein. Menschen, die von Gottes Volk herstammten. Und die um den Messias wussten und auf diesen warteten… Ja, Jesus war und ist mehr als Jakob, viel mehr. Kein bedeutender Rabbi, sondern Gottes Sohn selber. Was er uns gibt, kann kein Mensch, keine Lehre und keine Religion der Welt geben. Lesen wir zusammen die Verse 13 und 14: «Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wer von diesem Wasser trinkt, den wird wieder dürsten; wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.» Weltliche Dinge können uns kurzfristig Freude geben. Aber das ist keine bleibende Sache. Menschen ohne Gott rennen von Vergnügen zu Vergnügen. Doch im Grunde bleibt ihr Herz leer. Bei Jesus aber finden wir Erfüllung. Mit ihm zu sein und Gott zu dienen, gibt unserem Leben erst Sinn und unserem Herzen Ruhe. In Johannes 14,27a sagt Jesus zu seinen Jüngern und zu uns: «Den Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt.» Dieser Frieden, die bleibende Freude, die Fülle des Lebens in Jesus. Die feste Hoffnung, dass diese für immer bleibt, die lebendige Hoffnung auf das ewige Leben. Die Beziehung mit dem HERRN von nun an bis in Ewigkeit. All dies ist das lebendige Wasser.

Auch ich habe bereits von diesem lebendigen Wasser getrunken. Einige Tage habe ich schon in der geistlichen Orientierung gelebt. Was das Leben in dieser ausmacht, kann man nicht treffender beschreiben als mit dem altmodischen, abgewetzten Wort «Fülle». Auf einmal nahm ich Gottes Wort als geistliche Nahrung wahr, die ich brauche. Ich verlor die Angst vor anderen Menschen, mein Herz wurde frei. Ich genoss mein Leben, auch weltliche Dinge. Aber an ihnen hing mein Herz nicht mehr, und manche sündigen Vergnügungen bekamen einen sehr faden Beigeschmack, den sie vorher noch nicht gehabt hatten. Überhaupt fand ich nicht in Weltlichem Erfüllung, sondern in der Gemeinschaft mit dem HERRN. In meinem täglichen Leben, das ich nun lebe, ist das lebendige Wasser, das ich nur bei Jesus finde, vor allem seine Liebe. Ich hatte in meinem Leben von Kind auf mit Ablehnung und Angst vor Ablehnung zu kämpfen. Ich war immer anders als die anderen Kinder; als Jugendliche wurde ich vier Jahre lang in der Schule gemobbt. Auch im Gymnasium gehörte ich nicht richtig dazu in der Klasse. Und dann… kommt Jesus und liebt mich so, wie ich bin. Nimmt mich bedingungslos an. Ich habe mich bei anderen Menschen immer verstellt und habe noch immer die Tendenz, dies zu tun. Will so sein, wie man mich halt eben akzeptiert. Aber bei Jesus darf ich einfach ich selber sein. Er kennt mich abschliessend. Er liebt mich trotz all meiner Schrullen und Eigenheiten. Er ist der Einzige, der mich losgelöst von meinen Neurosen sieht. Denn er sieht mein Herz dahinter. Dieses ist vor allem eines: sehr liebesbedürftig. Wie wunderbar es ist, dass ich diesen Jesus habe!

Die samaritische Frau vergass all ihre Ablehnung und Skepsis. Sie war nun richtig neugierig geworden. Natürlich wollte sie lebendiges Wasser! Bestes Trinkwasser, nicht abgestanden wie das im Brunnen. Im weltlichen und im geistlichen Sinne. Lesen wir zusammen den Vers 15: «Spricht die Frau zu ihm: Herr, gib mir solches Wasser, damit mich nicht dürstet und ich nicht herkommen muss, um zu schöpfen!» Einerseits war da die Sehnsucht danach, nicht mehr die Strapazen der Hitze auf sich zu nehmen. Denn sie musste am Mittag herkommen, wenn sie den anderen Menschen ausweichen wollte. Sie war nämlich eine krasse Aussenseiterin in Sychar. Andererseits sehnte sie sich nach einer Kraft, die machte, dass sie ihre Erschöpfung und Müdigkeit überwand. Die kam nicht aus den Umständen, unter denen sie Wasser schöpfte. Es war eine seelische Müdigkeit. Sie hatte es satt, andere Menschen zu meiden und von ihnen gemieden zu werden. Sie hatte es satt, ohne Ziel in ihrem Leben zu sein und sich ihre Wünsche für ein ganz normales Leben nicht erfüllen zu können. Jesus wusste das genau. Und nun hatte sie ihn offen darum gebeten, ihr lebendiges Wasser zu geben. Also war sie bereit für den nächsten Schritt. In diesem Wollte Jesus genau dies angehen: das unerfüllte Leben der Frau. Das Aussenseiterdasein, das ihr Herz und ihre Seele krank machte. Dem zugrunde lag eine konkrete Sünde, welche die Frau immer wieder beging…

Teil 2: Der mir alles gesagt hat (Verse 16-30)

Lesen wir zusammen die Verse 16-18: «Jesus spricht zu ihr: Geh hin, ruf deinen Mann und komm wieder her! Die Frau antwortete und sprach zu ihm: Ich habe keinen Mann. Jesus spricht zu ihr: Du hast recht geantwortet: Ich habe keinen Mann. Fünf Männer hast du gehabt, und der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann; das hast du recht gesagt.» Das war also ihre Sünde bzw. was falsch lief in ihrem Leben: wechselnde Männerbeziehungen. Entweder die Männer oder sie konnten nicht treu sein. Sie geriet immer an den Falschen, wurde von Mann zu Mann weitergereicht. Damals konnten sich Frauen nicht scheiden lassen, nur Männer konnten ihren Frauen einen Scheidebrief geben, wenn sie sie nicht mehr wollten. Diese Frau war entweder jeweils ungeliebt und bekam von den Männern den Laufpass, oder aber sie selber wollte die Ehe nicht mehr und gab den Männern einen Anlass zur Scheidung. Und nun lebte sie unehelich mit einem Mann zusammen oder aber schlief mit einem Mann, der möglicherweise verheiratet war… Im Grunde suchte diese Frau einfach eines: wahre Liebe. Die fand sie aber bei den Männern nicht. Suchte am falschen Ort und wusste das nicht. Jesus fragte sie unvermittelt nach ihrem Mann. Daraufhin antwortete sie: «Ich habe keinen Mann.» Das meint: «Ich habe kein richtiges Leben, mit Familie und allem, was ich mir wünsche.» Oder: «Ich habe den richtigen Mann noch nicht gefunden.» Oder: «Ich erfahre keine echte Liebe.» Denn, ja, sie hatte Jesus noch nicht, der unser Bräutigam ist, der uns einst zur himmlischen Hochzeit in seinem Reich führen wird, damit wir bis in Ewigkeit mit ihm zusammen sind! Mit der Antwort, «ich habe keinen Mann», wollte sich die Frau zudem herausreden. Jesus hatte gerade ihren wunden Punkt getroffen, nämlich ihre Männergeschichten. Das, was sie zur verachteten, verlachten Aussenseiterin in der Stadt machte. Man nannte sie leichtes Mädchen, Flittchen, und noch schlimmere Dinge, ihr könnte euch denken, welche: schimpfliche Synonyme für «Prostituierte». Am liebsten wollte sie die Sache vor Jesus verbergen. Aber das liess Jesus nicht zu. Legte seinen Finger auf ihren wunden Punkt. Das brauchte es, damit die Frau Heilung erfahren konnte. Jesus sieht unsere Sünden und setzt mit seinem Wort und seinem Tun genau dort an. Er geht gemeinsam mit uns jeweils eine konkrete Sünde an, um uns aus dieser zu helfen. Lieber, er nimmt es in Kauf, dass uns der wunde Punkt schmerzt, damit er geheilt wird. Lieber, er mutet uns Unangenehmes, Überwinden, Loslassen von Altem zu, als dass er uns in eine Sünde dahingeben oder sogar verlorengeben würde. Darum sind auch die Schwierigkeiten und Herausforderungen, die uns in unserem Leben begegnen, der direkte Ausdruck von Gottes unbedingten Willen, uns zu erretten und uns einst ins Himmelreich zu holen.

Die Frau war ganz fasziniert davon, dass Jesus ihr alles gesagt hatte, was sie getan hatte. Sie war gerade daran, ihre Meinung über Jesus zu ändern, immer mehr in die richtige Richtung. Zuerst war er für sie ein Wandersmann gewesen, der desorganisiert war und sich mit den gesellschaftlichen Gepflogenheiten nicht zu gut auskannte oder sich wenig um diese scherte. Dann war er ein Mensch für sie gewesen, der glaubhaft erklären konnte, dass er mehr war als Jakob. Und nun war er für sie ein Prophet. Das sagte ihm die Frau auch direkt so: «Herr, ich sehe, dass du ein Prophet bist!» Oh, merkte sie, da war einer, der vieles wusste, was sie nicht wusste! Den konnte sie doch nun ein paar Glaubensdinge fragen, die ihr schon längere Zeit auf der Seele brannten. Wie sehr sehnte sie sich danach, die Antworten zu kennen auf die vielen Fragen, die sie hatte! Die wohl dringlichste ging um den richtigen Ort, wo man den HERRN anbeten sollte. Gottesdienst-Modalitäten. Lesen wir gemeinsam den Vers 20: «Unsere Väter haben auf diesem Berge angebetet, und ihr sagt, in Jerusalem sei die Stätte, wo man anbeten soll.» Jesus war froh, dass sie ihn auf die Anbetung ansprach. Er lehrte sie, dass der Ort im Grunde nicht so wichtig ist. Aber umso wichtiger ist die Art der Anbetung! Es geht nicht um eine zusammengeschusterte Religion, wie sie die Samariter hatten. Sondern darum, den Messias zu haben und diesem nachzufolgen. Darum sagte Jesus denn auch im Vers 22: «Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir wissen aber, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden.» Wer zu Gott kommt, muss ihn richtig anbeten. Was Jesus der Frau denn auch sagte. Lesen wir zusammen die Verse 23 und 24: «Aber es kommt die Zeit und ist schon jetzt, in der die wahren Anbeter den Vater anbeten werden im Geist und in der Wahrheit; denn auch der Vater will solche Anbeter haben. Gott ist Geist, und die ihn anbeten, die müssen ihn im Geist und in der Wahrheit anbeten.» Gebete sind kein Monolog, sondern die lebendige Gemeinschaft mit dem HERRN. Kein Herunterbeten von Anliegen, sondern ein Reden und Zuhören, Offenheit für das, was Gott uns zu sagen hat. Weltliche Anbetung genügt hier nicht. Wo wirklich gebetet wird, ist die Wirkung des Heiligen Geistes da. Da geht es um die Wahrheit, nämlich um Gottes Wort. Da kommt man zum HERRN von ganzem Herzen und freut sich über die Zeit, die man mit ihm verbringt. Das ist ein Stück Himmel in unserem Alltag, in unserem Herzen, das wir jeden Tag neu haben können. Ernsthafte Gebete sind der Grundstein, den wir legen, damit Gott uns verändern kann. So wie diese Frau ihre Sünde mit den Männern zu Jesus brachte, so bringen wir auch unsere Sünden zu Jesus, damit er uns diese vergeben kann. So wird unser Herz frei, dass wir wahre Freude haben und Gott dienen können. Gott will wahre Anbeter haben. So wie diese Frau auch war: Menschen, die ihn ernsthaft suchen und sich nach seiner Liebe und Nähe und nach seinem Wort sehnen.

Noch aber waren nicht alle Fragen der Frau geklärt. Lesen wir zusammen den Vers 25: «Spricht die Frau zu ihm: Ich weiss, dass der Messias kommt, der da Christus heisst. Wenn dieser kommt, wird er uns alles verkündigen.» Auf den wartete sie, nach dem hatte sie sich schon immer gesehnt. Der konnte die grosse Lücke füllen, die in ihrem Herzen klaffte. Der konnte ihr Leben ordnen, mit Sinn erfüllen und normalisieren. Jesus wollt sie über gar nichts im Ungewissen lassen. Daher sagte er ihr – lesen wir gemeinsam den Vers 26: «Jesus spricht zu ihr: Ich bin’s, der mit dir redet.» Damit waren alle ihre Fragen geklärt. Für mich ist der Vers 26 der schönste Vers des ganzen Kapitels. «Ich bin’s, der mit dir redet!» Er sagte der Frau direkt: «Ich bin der Christus, der Messias!» Welch ein Privileg. Jesus sagte sonst so gut wie niemandem direkt, dass er der Christus ist. Er liess seine Werke für sich sprechen. Aber dieser Frau offenbarte er sich ganz direkt als der Heiland. «Ich bin’s.» Ausgerechnet dieser sündigen, fremden, verachteten Frau! Das offenbart seine Liebe und seine Herrlichkeit auf wunderbare Weise.

Indessen kamen die Jünger Jesu zurück und unterbrachen das Gespräch zwischen ihm und der Frau. Sie wunderten sich im Stillen, warum Jesus mit einer Frau sprach, fragten ihn aber nicht danach. Auch wenn sie noch nicht geistlich dachten und manche Handlungen ihres Herrn nicht verstehen konnten, so hatten sie doch ein Grundvertrauen darauf, dass das, was Jesus tat, das Richtige war. Er war ja ihr Rabbi, mit Gottes Weisheit ausgestattet. Die Frau indessen war vom Gespräch, von der Begegnung mit Jesus vollkommen beseelt. Sie war von Freude erfüllt, ihr Herz war nun frei von der Last, die sie jahrelang mit sich herumgetragen hatte. Sie hatte den Messias gefunden, bzw. er hatte sie gefunden, sich ihrer angenommen, ihr die Wahrheit gesagt. Er kannte sie ganzheitlich. Und ja: Er gab ihr die wahre Liebe, nach der sie so lange gesucht hatte. Nach den Irrwegen im Leben war sie nun endlich, endlich in ihrem Daheim angekommen. Die Quelle lebendigen Wassers begann langsam in ihrem Herzen zu fliessen. Sie war bereit, ihr altes Leben mit den ganzen Beziehungskisten zurückzulassen und in Jesus ganz neu anzufangen. In ihrer Freude vergass sie, warum sie eigentlich zum Brunnen gekommen war. Und dass man sie in der Stadt verachtete und man sich gegenseitig mied. All dies war nicht mehr wichtig. Und ihre Freude konnte sie auch nicht für sich behalten. Lesen wir gemeinsam die Verse 28 und 29: «Da liess die Frau ihren Krug stehen und ging in die Stadt und spricht zu den Leuten: Kommt, seht einen Menschen, der mir alles gesagt hat, was ich getan habe, ob er nicht der Christus sei!» Noch hatte sie Restzweifel, ob es ganz sicher der Messias war. Die Sache war ihr viel zu gross, um sie gleich zu fassen. DER Messias, auf den hier alle seit vielen Jahrhunderten warteten? Er war hier, im ungeliebten Samarien, in dieser unbedeutenden Kleinstadt? Die Frau rannte von Tür zu Tür, in den Gassen herum, und sagte jedem und jeder, was sie erlebt hatte mit dem Mann am Brunnen. Und wie reagierten die Leute darauf? Lesen wir gemeinsam den Vers 30: «Da gingen sie aus der Stadt heraus und kamen zu ihm.» Das war Gottes Wirkung: Er wollte diese Menschen gleich mit erretten, zu sich bringen, und nicht nur die Frau. An der Reaktion der Leute von Sychar sehen wir auch, dass sie nicht einfach engstirnige Menschen waren, die unmoralisch lebende Frauen ächteten und verspotteten. Sondern unter all den gesellschaftlichen Regeln, unter aller Moral, unter aller Bosheit gab es eines: die tiefe, grundsätzliche geistliche Sehnsucht. Auch sie hatten auf den Messias gewartet. Und genau der war jetzt da, in greifbarer Nähe, draussen am Brunnen. Der Heiland der Welt!

Zum Schluss:

Lesen wir nochmals den Leitvers, Vers 14: «wer aber von dem Wasser trinken wird, das ich ihm gebe, den wird in Ewigkeit nicht dürsten, sondern das Wasser, das ich ihm geben werde, das wird in ihm eine Quelle des Wassers werden, das in das ewige Leben quillt.»

Mir ist die samaritische Frau sympathisch. Sie hat recht viele Parallelen zu mir. Im Grunde ist sie auf der Suche nach dem, was ihre Seele und ihr Herz wirklich satt bzw. durstfrei macht. Aber manches versteht sie noch nicht zu 100%, was es mit Jesus auf sich hat. Und noch etwas hat sie gemeinsam mit mir: Jesus ist einen weiten Weg zu ihr gekommen, extra für sie. Hat keine Mühe gescheut, sie zu finden. Und hat ihr gezeigt, dass sie liebenswert ist, was sie vorher nicht auf dem Schirm gehabt hat vor lauter Sünden. Ich beginne das immer mehr zu verstehen. Und das wird mich dazu führen, dass ich mein Leben dem HERRN vollkommen in die Hände geben werde.

Im heutigen Wort haben wir einmal mehr Jesu göttliche Weisheit gesehen. Er spricht jede Person ganz individuell an. Holt sie ab, wo sie ist, in der eigenen Welt. Bei ihren eigenen Bedürfnissen und Sehnsüchten. Denn er kennt sie abschliessend und will diese Bedürfnisse stillen. Jesus ist der Einzige, der das geben kann. Bei ihm gibt es die Quelle des lebendigen Wassers. Wahre Erfüllung im Leben – und weit über das Leben hinaus – finden wir allein bei ihm. Manchmal brauchen wir dazu etwas loszulassen. Von einem Weg abzubiegen, wenn dieser der falsche war. Jesus will unser Leben in Ordnung bringen, unser Alltagsleben wie auch unser Seelenleben, unsere Beziehung zu ihm sowie zu unseren Mitmenschen. Sicher hat sich die samaritische Frau nach der Begegnung mit Jesus dazu entschieden, wieder am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Und die aussereheliche Beziehung mit dem Mann, die sie auch nicht glücklich machte, zu beenden. Bekennen auch wir Jesus das, was bei uns falsch läuft, was wir falsch machen. Hören und spüren wir nicht weg, wenn er auf unsere wunden Punkte zeigt. Denn dann bekommen wir den Wunsch, die dazugehörigen Sünden loszulassen.

Ich bete, dass der HERR jedem und jeder von uns ganz viel von diesem lebendigen Wasser gibt. Dass es in uns eine Quelle wird, eine Quelle der Freude. Und eine der Liebe, sodass wir diese an unsere Mitmenschen weiterfliessen lassen können. Möge der HERR uns allen die lebendige Hoffnung auf das ewige Leben geben. Unsere persönliche Beziehung mit dem HERR ist hier und jetzt. Und bleibt von nun an bis in alle Ewigkeit. Amen, gepriesen sei der HERR!