Guten Tag! Frohe Weihnachten! Jesus ist geboren! Es ist elf Tage vor Heiligabend. Und doch feiern wir heute schon unseren Weihnachtsgottesdienst. Am 24. Dezember hätte vermutlich um diese Zeit niemand die Kapazitäten übrig, sich einer solchen Feier zu widmen. Vielleicht sind wir voll beschäftigt mit Kochen für die Familie. Hechten fast in letzter Minute in den Laden, noch einen Gutschein für die Freundin zu holen; dieses Jahr natürlich mit Maske. Aber im Grunde feiern wir ausserzeitlich, weil es hierfür einen anderen Grund gibt. Weihnachten ist immer. Jesus ist uns heute geboren. Heute klopft er an die Türen unserer Herzen. Wenn wir ihn hineinlassen, ist es ein himmlisches Fest – egal, wie unser Alltag gerade aussehen mag. Denn bei Gott und seinem Sohn können wir etwas finden, das es in der Welt nicht gibt: Freude, die an keine Zeit und an keinerlei Bedingungen geknüpft ist. Oder, lesen wir gemeinsam den Titel meiner Botschaft: „Grosse Freude für alle Menschen.“ Und lesen wir zusammen den Leitvers, Vers 10:
Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird;
Lukas 2,10
Zu Beginn bete ich kurz.
Vermutlich kennen die meisten von euch das Sprichwort: «Unverhofft kommt oft.» Unerwartetes passiert immer wieder. Dieses Jahr hatte es davon ganz viel. Nicht nur Schönes, sondern auch Beängstigendes und Einschränkendes. Da denken wir vor allem an Corona. Und doch entstand gerade in dieser Krisenzeit auch unerwartet Schönes, Tröstliches, Lichtvolles. Plötzlich gewinnt das Zusammensein mit den Lieben an Wert und freut uns mehr denn je. Es war ein unvergleichliches Gefühl, als im späten Frühling die Läden wieder aufgingen und die bedrückte Stimmung des Lockdowns einer neuen Leichtigkeit und sommerlicher Hochstimmung wich. Für mich war das Unerwartete zum Beispiel, dass plötzlich dann die Unis wieder offen waren und ich Studis zum Bibelstudium einladen konnte. Und vor allem die Sommerferien und Kurzzeitmissionsreise nach Griechenland! – So ist auch Gottes Wirken. Unerwartet. Mächtig. Vielseitig; unkonventionell. Seine Gegenwart, sein Segen, sie greifen häufig gerade dort, wo er nicht zu erwarten wäre. Unter Menschen, in Menschen, die nichts zu bieten haben ausser ihrer Offenheit für den HERRN.
Ich möchte meine heutige Botschaft mit einer Geschichte beginnen, die hierzu passt.
Es war Heiligabend. Die Weihnachtsmesse war in vollem Gange. Man hörte eine wunderschöne Weihnachtsbotschaft; es wurde andächtig gesungen; man lauschte dem Orgelspiel und dem Kirchenorchester. Und dann, mittendrin, als alle gerade still waren vor einem Musikstück, ging hinten knarrend die grosse Kirchentür auf. Es war ein Mann, offenbar ein Obdachloser. Er hatte abgewetzte, schmutzige Kleider, war unrasiert, machte einen verwahrlosten Eindruck. Auch schwankte er und hatte sogar eine Dose Bier in der Hand. Zögernd nahm er Platz auf einer Bank in der hinteren Reihe. Die Leute rund um ihn rümpften die Nase. Was hatte dieser verlotterte Typ, ja Trunkenbold unter ihnen zu suchen? Es stank nach Bier und nach etwas Undefinierbaren für die, die in seiner Nähe waren. Aber niemand sagte etwas; schliesslich war man ja an einem besinnlichen Anlass und zudem wollte keiner einen Konflikt heraufbeschwören. Man war ja ein anständiger Bürger. Der Obdachlose blieb ganz ruhig sitzen. Vergass sein Bier in der Hand, lauschte. Wenn es gerade still war, konnten die hinten seine leise rasselnden Atemzüge und vereinzelte diskrete Rülpser vernehmen. Inzwischen hatten die anderen Kirchenbesucher sich Distanz zwischen sich und dem Mann gemacht, die maximal mögliche. Und dann war der Gottesdienst zu Ende. Viele blieben noch in der Kirche, schwatzten miteinander, viele waren mit dem Kopf schon am feinen Essen, am Geschenkeauspacken mit den Kindern, beim Stress mit dem Verwandtenbesuch… Da ging der Mann nach vorne. Er steuerte direkt auf das Kreuz vorne bei der Kanzel zu. Betrat die Bühne, auf der sonst nur diejenigen standen, die einen Beitrag zur Messe leisteten. Erstaunlicherweise liess man ihn gewähren. Der Mann warf sich vor dem Kreuz zu Boden. Er verfiel in ein ganz inniges Gebet. Er flehte, rief Jesus unter Tränen an, nahm die demütigste und bussfertigste Haltung an, die alle Anwesenden je gesehen hatten – egal wie fromm die Menschen in ihrer Umgebung auch waren. Des Mannes Herz, sein ganzes Sein, alles war vollkommen Jesus zugewandt. Sein Körper bebte, die Tränen flossen… Aber dann war es wie der Eindruck von Licht… Der Mann richtete sich auf, erhob sich, ging wieder zu seinem Platz. Nahm seine Bierdose und ging hinaus. Auf seinem Gesicht war nur eines noch zu sehen: ein Ausdruck absoluten, tiefstem, dauerhaftestem Frieden.
Gott ist der Allmächtige. Er führt die Geschichte und die Geschicke aller Menschen. Viele Leute, die ihn gar nicht auf dem Schirm haben, tun versehentlich etwas, das seinem Werk dient. Das werden wir etwas später in meiner Botschaft noch sehen. Aber er ist auch der Demütige, Liebende; diese seine Eigenschaften sind sozusagen Fleisch geworden in Gestalt seines Sohnes Jesus. Unseres Heilands und Messias. Dessen Geburt und die Umstände rund um diese schauen wir uns heute etwas genauer an.
Teil 1: Ein Gebot von Kaiser Augustus (Verse 1-7)
Jesu Geburt geschah in einer Zeit, die nicht gerade rosig war. Weder für Israel noch für die restliche Welt. Das Land der Juden, ihr gelobtes Land, war eine Kolonie des mächtigen Römischen Reiches geworden. Und das Gebiet weitum war gebeutelt von etwa einem Jahrhundert von Kriegen und Bürgerkriegen, politischer Instabilität und dem Machtkampf der Mächtigen. Dann aber einte Augustus, der erste römische Kaiser, Macht und Länder unter sich. Mit der sogenannten Pax Romana richtete er einen Frieden auf, dessen Stabilität sich darauf gründete, jeden Widerstand gegen die kaiserliche Macht im Keim zu ersticken. Frieden, das war, wenn man kuschte; dann hatte man nichts zu befürchten. Ein solcher Friede ist aufwändig zu halten. Hierfür brauchte es Soldaten und Beamte, die im grossen Imperium überall zum Rechten schauten. Und das kostete Geld; viel Geld. Also mussten Steuern eingetrieben werden. Und damit auch jeder Bürger im Land seine Steuern bezahlte, musste klar sein, wer das alles war. Eine Volksschätzung, also eine Volkszählung, im ganzen Reich war die Lösung. Einer der vielen klugen Entscheidungen des Kaisers, der es früh schon verstanden hatte, sich mit den richtigen Leuten Macht zu sichern und zu schauen, dass er ohne unnötige Konkurrenz zu seinen Sachen kam. In der Provinz Syrien, zu welchem auch Palästina und das übrige Gebiet der Juden gehörte, war ein gewisser Publius Sulpicius Quirinius eingesetzt. Der war römischer Senator und ergatterte sich um das Jahr Null das Amt als Provinz-Statthalter. Dabei glaubte der ehrgeizige, opportunistische Mann, ein Günstling des grossen Kaisers zu sein. In Wahrheit gehörte er einfach zu dessen Schergen, als Untertan.
Lesen wir zusammen die Verse 1-3: «Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde. Und diese Schätzung war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war. Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.»
Ich habe selber schon mehrmals für eine Volkszählung gearbeitet, nämlich für die hier in der Schweiz, am Bundesamt für Statistik. Dort brauchen die Leute nur Fragebögen auszufüllen. Aber schon da finden Unwillige diverse Ausreden, warum sie nicht mitmachen wollen: «Ich bin zu alt.», «Ich kann kein Deutsch.», «Ich war im Ausland.» Wir Menschen wollen uns nicht einfach erfassen lassen, und schon gar nicht etwas aufzwingen lassen vom Staat, dessen Nutzen wir nicht einsehen. – Dieses Problem muss um das Jahr Null ungleich grösser gewesen sein. Man kann sich vorstellen, wie Druck und Zwang auf den Menschen lasteten. Wahre Völkerwanderungen setzten ein, damit alle in die Stadt ihrer Vorfahren kamen, um sich registrieren zu lassen. Ausreden gab es keine. Alle hatten sich unter die Macht des grossen Kaisers Augustus zu fügen. Dieser liess sich verehren wie ein Gott. Liess das Abbild seines Kopfes auf die römischen Münzen prägen. Sein Name Augustus bedeutet «der Erhabene». Und ist noch nicht mal sein voller Name. Der wäre, übersetzt, etwa: «Imperator Caesar, Sohn des Vergöttlichten, der Erhabene, Höchster Oberpriester, 13 Mal Konsul, 21 Mal Imperator, 37 Mal Inhaber der tribunizischen Gewalt, Vater des Vaterlandes». Uff! Ganz schön protzig. Und doch: Er war nicht der absolute Herrscher. Denn dieser ist allein Gott, der HERR! Er veranlasste, dass sich Gottes Verheissung über die Umstände der Geburt Jesu Christi erfüllte. Diese sagte, Jesus würde von Nazareth stammen, aber in Bethlehem, der Stadt der Vorfahren seines Vaters Josef, geboren werden. Der Prophet Micha sagte: «Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen ist.» (Micha 5.,1). Die leidige Volkszählung bewirkte, dass dies tatsächlich geschah! Lesen wir zusammen die Verse 4 und 5: «Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war, damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.» Maria, Josefs Verlobte, musste mitkommen. Sie waren einander versprochen, galten auf dem Papier bereits als Verheiratete. Darum schleppte sich nun Maria, im neunten Monat schwanger, in die Kleinstadt Bethlehem. Das war ein Fussmarsch von über 150 Kilometern. Wie wenn wir zu Fuss von hier in Bern etwa nach Winterthur gehen müssten. Schon beschwerlich genug ohne Schwangerschaft – damals gab es ja auch noch keine bequem zu gehenden, geteerten Strassen. Und umso schlimmer, wenn man nicht fit war. Oder eben ein Kind unter dem Herzen trug, das strampelte und deutlich zeigte, dass es bald bereit war, auf die Welt zu kommen.
Maria und Josef kamen also, nach rund zehn Tagen, endlich in Bethlehem an. Vor Ort mussten sie feststellen, dass es keine freien Plätze in den Herbergen mehr gab. Niemand wollte das junge Paar aufnehmen. Am Schluss mussten sie sogar mit dem armseligsten aller Räume vorliebnehmen; einem Viehstall. Die Strapazen wirkten sich aus. Maria bekam ihre Wehen. Lesen wir gemeinsam die Verse 6 und 7: «Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte. Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.» Beide, Maria und Josef, wussten, dass ihr erstes Kind Jesus Christus, Gottes Sohn, sein würde. Das hatte ihnen ein Engel gesagt. Doch nun verblassten diese Erinnerungen an das Licht, an die Worte der Verheissung. Sollte der König der Welt in einem schäbigen, schmutzigen Stall auf die Welt kommen? Wo war nun der Engel; warum zeigte er sich jetzt nicht und bestätigte seine Voraussage über das Kind? Stattdessen waren Maria und Josef ganz alleine. Keine Freunde, Verwandte, Nachbarinnen kamen, um mit ihnen die Geburt ihres kleinen Stammhalters zu feiern. Stattdessen: Öde, unvertraute Gefilde, Armut, der penetrante Stallgeruch… Aber doch: Gott war da! Er sollte ihnen später Hirten und sogar drei Weise aus dem Morgenland senden, die ihnen sagten, wer ihr Kind war. Aber momentan mussten sie durch die Situation einfach durch. Sie lernten, Demut zu haben. Vertrauen auf Gott, der seine Versprechen wahr macht, auch wenn es momentan nicht danach aussieht. Diese Demut, dieses Gottvertrauen – sie sollten es nicht nur lernen, sondern in ihrer Erziehung auch an Jesus weitergeben. Es gibt wohl nichts Schöneres, als wenn man dem Herrn der Welt selber ein Geschenk machen kann. Eines, das bleibt.
Maria und Josef hatten keinen Raum in der Herberge. Sie hatten keinen Platz in den Herzen der Menschen. Eine unbarmherzige Zeit war das, in der jeder Mensch mal zuerst für sich selbst schaute. Wir kennen das ja: In der Zeit der Schwierigkeit sind die meisten Leute sich selbst der Nächste. Dann hamstern sie zum Beispiel Klopapier und lange haltbare Vorräte. Schliessen Essensausgabestellen für Bedürftige, aus Angst, sich dort mit dem neuen Coronavirus anzustecken. Schotten sich ab, misstrauen den anderen, wechseln die Strassenseite, wenn jemand ihnen entgegenkommt. Viele Menschen haben in ihrem Herzen keinen Platz für Gott und für seinen Sohn. Verschliessen sich für die Liebe Gottes, die ihnen die Freude der Nächstenliebe schenken würde. Und doch gibt es Ausnahmen…
Teil 2: Grosse Freude des geborenen Heilands (Verse 8-14)
Die grosse Ausnahme im heutigen Text war? Eine kleine Gruppe von Hirten, die sich sozusagen zufällig dort in der Gegend befanden. Lesen wir gemeinsam die Verse 8 und 9: «Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde. Und der Engel des HERRN trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.» Da war der Engel doch noch. Aber nicht bei Maria und Josef. Sondern bei ein paar einfachen Schäfern. Damals waren die Hirten keine angesehenen Menschen. Sie mussten für einen niedrigen Lohn lange Arbeitsschichten leisten. Waren am Tag der Hitze und in der Nacht der Kälte auf den Weiden ausgeliefert. In aller Regel hüteten sie Schafe, die ihnen nicht gehörten. Sie zogen herum und mussten anderen als unstete, unzivilisierte, verachtenswerte Leute erschienen sein. Das war bei den Hirten hier nicht anders. In jener Nacht gingen sie einfach, wie gewohnt, ihrer Arbeit nach. Und doch hatten sie in ihrem Herzen eine kleine Hoffnung: Irgendwann würde sich ihr Schicksal vielleicht wenden. Ohne andere Menschen zum mit ihnen Schwatzen, hatten sie viel Zeit zum Nachdenken. Auch über Gott. Und sicher sprachen sie mit diesem durch Beten. Befassten sich mit seinem Wort. Ob sie vom verheissenen Messias wussten? Das weiss ich nicht. Klar aber ist, dass sie in irgendeiner Form auf den HERRN warteten. Und in jener Nacht wurde ihnen genau das belohnt. Plötzlich leuchtete um sie ein herrlicher, überirdisches Licht. Der Himmel tat sich auf und ein prächtiger Engel erschien ihnen. Es kam ihnen vor, als würden sie den HERRN von Angesicht zu Angesicht sehen! Das war für sie echt zum Fürchten. Was war das nun, sollten sie schon sterben, in der Mitte ihres Lebens? Dem war nicht so; sie fielen nicht tot um. Aber die Furcht blieb. Sie waren doch einfache Menschen, Sünder, und schauten die göttliche Herrlichkeit. In dem Moment dachten sie an ihre Unzulänglichkeit und an das, was sie vielleicht Schlechtes getan hatten. Den Streit mit einem anderen Schäfer um eine besonders saftige Weide. Einer war mal eingenickt und in der Zeit war ihm das Schaf seines wichtigsten Arbeitgebers davongelaufen… Vor dem HERRN konnten sie nicht bestehen. Niemand kann das. Doch aus diesen trüben Gedanken holte sie der Engel. Sagte ihnen, dass das, was sie getan hatten, keine Rolle mehr spielte. Sie durften den HERRN schauen. Zu ihm kommen, wie sie waren. Das gilt auch für uns. Wir sind vom HERRN geliebt, einfach weil wir wir sind. Gottes kostbarste, beste Geschöpfe; seine Kinder, die er bedingungslos annimmt. Darum dürfen wir uns selber nie mehr verurteilen für etwas, das wir sind oder das wir getan haben. Bringen wir es zu Jesus, der uns vergibt und der uns allein ändern kann!
Wie holte der Engel nun die Hirten aus ihren angstvollen Gedanken? Lesen wir zusammen die Verse 10 und 11: «Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.»
Grosse Freude, die allem Volk widerfahren wird. Was für eine umfassende Verheissung! So etwas gibt es in der Welt nicht. Unsere weltliche Freude ist immer kurzfristig und relativ. Bei einem Sportwettbewerb ist am Schluss jemand der strahlende, bejubelte Sieger, und die anderen sind enttäuscht und gehen leer aus. Eine Schülerin freut sich so lange über einen Fünfer in der Prüfung, bis sie erfährt, dass eine Kollegin, die sonst schlechter in dem Fach ist, einen Sechser bekommen hat. Zwei Chefs streiten sich um die Beförderung zum Direktor, und ein anderer profitiert von ihrer gegenseitigen Blockade und holt sich den Posten. Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. Die Freude über ein tolles Ereignis, eine neue Stelle, einen Genussmoment, sie dauern nur kurz. Und sind an den Gegenstand der Freude gebunden. Selbst ein Lottogewinn macht nicht auf Dauer happy. Manch ein Lottogewinner hat schon sein Vermögen verjubelt oder verspekuliert. Oder hat einfach so gelebt wie vor dem Gewinn. Wobei sich der ganze Alltagstrott wieder äusserst schnell eingeschlichen hat…
Unsere Freude, die wir im HERRN haben, ist eine ganz andere. Sie ist auch auf einen «Gegenstand» bezogen. Nämlich auf Gott und Jesus. Aber die bleiben bis in Ewigkeit und sind immer da. Gottes Liebe gilt denn auch nicht jemand Bestimmten, sodass man die Freude für sich alleine haben müsste. Das wäre ja auch traurig, wenn wir niemandem sagen könnten, wie herrlich es ist, sich von Gott, dem Höchsten, geliebt zu wissen. Die Freude, die grosse Freude des HERRN, sie gilt allen Menschen! Jesus ist für alle in die Welt gekommen. Hat sich hingegeben, gedient, ja ist für die Sünden der ganzen Menschheit am Kreuz gestorben. Wir müssen seine solche Gnade und Hingabe nur annehmen. Wir haben also eine situationsunabhängige Freude, weil wir die persönliche Beziehung zu Gott haben. Weil seine Liebe uns wärmt, auch in der kalten und schwierigen Zeit. Während des Lockdowns im Frühling war mein Alltag mit Home Office, ohne Shopping und Kulturangebote, mit der Ungewissheit des weiteren Krisenverlaufs, reichlich eintönig. Und bedrückend. Aber: Ich hatte die Zeit mit Gott. Mein Lichtblick am Morgen war es, das tägliche Bibelwort der UBF, das «Tägliche Brot» zu lesen und dazu jeweils eine Stellungnahme zu schreiben. Da spürte ich diese Freude. Gott wollte das so: Er wollte mich lehren, mich an und bei ihm zu freuen, gerade wenn die weltlichen Freuden eben Corona-Zwangspause machten. So wurde mein Herz frei. Kein Lockdown wird es mehr «hinunterschliessen» können. Denn ich habe den HERRN.
Was sagte der Engel weiter über das Ereignis, das gerade geschah? Dass es die Geburt des so lange verheissenen und ersehnten Messias war! Der Engel benutzt hier drei Bezeichnungen für das Jesuskind: Heiland, Christus und HERR. Der Begriff «Heiland» kommt aus dem Althochdeutschen und bedeutet «Retter». Denn Jesus ist in die Welt gekommen, um uns von unseren Sünden zu erretten. Meine Freundin Nadja findet das Wort «Heiland» sehr sympathisch. Es erinnert sie an ein Land, eine Heimat. Jesus ist ein Stück himmlische Heimat in unseren Herzen. Kontinuität in wechselhaften, unsicheren Zeiten. «Christus», das ist der König der Welt, der Gesalbte Gottes. Und «HERR» meint, dass Jesus Gott selber ist. Sein Sohn und der Herr der Welt zugleich. Eine der drei Erscheinungsformen des Göttlichen, der Heiligen Dreifaltigkeit mit Vater, Sohn und Geist.
Hm. Ein armseliges Kind in einem schmutzigen Stall, und der Herr der Welt und Allmächtige – wie geht das zusammen? Lesen wir gemeinsam den Vers 12: «Und das habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.» Das ist das Zeichen des Messias. Ein kleines, schwaches Baby, in Windeln gewickelt, in einer Futterkrippe liegend. Das gehört zu Gott, dem Allmächtigen, und seiner Souveränität. Er hat sich dafür entschieden, sein Wesen so zu offenbaren. Nämlich, dass er Liebe ist. Er kam uns in Gestalt seines Sohnes besuchen. Will mit uns sein. Unter den schmutzigen Sündern; bei den armseligen, aber demütigen Menschen. Bei denen, die mit einer vagen Hoffnung – wie einst die Hirten – auf ihn warten. Wer Gott noch nicht in der Tiefe erlebt hat, braucht die Geduld zu warten noch. Zu Gottes Zeit wird sie sich erfüllen. Ganz unerwartet. Aber dafür bestimmt; wenn er/sie dranbleibt.
Dass der Messias in einer Futterkrippe lag, ist übrigens eine wunderschöne Anti-Ironie. Krippen sind mit Futter, also Essen, assoziiert. Und Jesus ist das Brot des Lebens. Er gab seinen Körper und sein Blut am Kreuz dahin, wo er für unsere Sünden den vollen Preis bezahlte; an unserer Stelle. Wir dürfen also seine Liebe und Gnade essen, einverleiben, zu einem Teil von uns selbst machen. Aus dieser Gnade und von Jesu Worten leben.
Wir sehen vor unseren Augen das süsse kleine Kind in der Krippe. Aber wir sollen uns immer daran erinnern, wer er eigentlich ist: Gott selber. In diesem Baby steckt die geballte Kraft und Macht des HERRN. Der Prophet Jesaja hat über ihn gesagt: «Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heisst ((nachsprechen lassen)) Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; auf dass seine Herrschaft gross werde und des Friedens kein Ende auf dem Thron Davids und in seinem Königreich, dass er’s stärke und stütze durch Recht und Gerechtigkeit von nun an bis in Ewigkeit. Solches wird tun der Eifer des HERRN Zebaoth.» Jesus verzichtete also auf seine gesamte göttliche Kraft und Herrlichkeit, um zu uns zu kommen. Er erfüllte damit Gottes Wille und verherrlichte den HERRN. Ehre sei diesem Jesus, unserem Messias, und seinem Vater, unserem Gott! Dass Herrlichkeit und Demut zusammenpassen, konnten die Hirten in dem Moment nicht nachvollziehen. Aber sie sollten es sogleich erfahren. Durch das grosse Gotteslob, das sie nun hörten. Lesen wir zusammen die Verse 13 und 14: «Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen: Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.» Das muss wunderschön gewesen sein. Gotteslob ist ein Ausdruck und eine Ursache von Freude in dem HERRN. Wenn wir hier in diesem Gottesdienst zusammen froh Weihnachtslieder singen, dann ist das ein kleiner Widerschein von der Freude der himmlischen Heerscharen in jener Nacht. Und dringt genauso hinauf zu dem HERRN. Ehre sei ihn! Mit Jesus hat er den Frieden gebracht. Die Versöhnung von uns sündigen Menschen mit dem heiligen Gott. Weil er sich für uns klein gemacht hat. Er ist mit uns, leidet mit uns, freut sich mit uns, kann alle unsere Leiden und Versuchungen nachvollziehen. Sein Friede ist die Ruhe für die Seele, der innere Friede, der uns auch mit anderen Menschen Frieden machen lässt. Keine brüchige, einseitige Pax Romana. Sondern das Ergebnis des Zusammenkommens von Gott und den Menschen. In jener Nacht hat dafür unser himmlischer Vater die Initiative ergriffen. Nehmen wir das herrliche Licht der ersten Weihnachten, das Licht von Gottes Liebe, in unseren Herzen auf! Wo die Herzen bereit sind, verbreitet sich das Evangelium mit seiner heilenden, verbindenden Kraft rasant. Gerade unter Menschen, denen dabei keine weltliche Macht, Güter oder ein zu einfaches Leben im Weg stehen. Afrika ist ein Beispiel dafür. Dort ist die Anzahl der Christen innert Jahresfrist um eine halbe Million Menschen gestiegen. Neun afrikanische Länder haben zu über 90 Prozent Christen in ihrer Bevölkerung. Jeder fünfte Mensch, der an Jesus glaubt, lebt auf dem Schwarzen Kontinent. Und sie sind uns ein Vorbild, was ihre Hoffnung auf das ewige Leben betrifft. Jesus.de berichtet über eine Studie, nach der 50% der befragten afrikanischen Christen glauben, dass Jesus noch zu ihren Lebzeiten wiederkommen wird…
Zum Schluss:
Lesen wir nochmals den Leitvers, Vers 10: «Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;»
Wir haben heute gesehen, dass Gottes Liebe nahe, vielfältig und unkonventionell ist. Unerwartet, aber dafür umso wirksamer im Herzen derer, die offen für ihn sind. Das Zeichen des Heilands ist nicht, dass er erhaben vom Himmel runtergeschwebt kam, als alter, gebieterischer weisser Mann. Sondern dass er als Baby in einem armseligen Stall in einer Futterkrippe lag. Die göttliche Liebe ist mitten unter uns. Jesus klopft an die Tür unseres Herzens, wie einst Maria und Josef in Bethlehem an die Tür jeder Herberge geklopft haben. Geben wir ihm eine Chance; lassen wir ihn hinein! Möge das Weihnachtslicht uns diese Tage umleuchten. Lassen wir uns verzaubern durch die heilig-festliche Stimmung. Stimmen wir ein in das frohe Gotteslob, indem wir dieses Jahr die Weihnachtslieder mal nicht aus Gewohnheit, sondern im Bewusstsein von Gottes Liebe singen. Der Messias ist geboren, der Friedensbringer, der grosse Versöhner der Menschen mit Gott. Lassen auch wir uns versöhnen, mit ihm, mit anderen Menschen. Dann ist für uns Weihnachten. Heute. Am 24. und 25. Dezember. Und jeden weiteren Tag in unserem Leben. Gesegnete Weihnachten!