Hier bin ich, sende mich

Jesaja 6,1-13

Guten Morgen! Es ist wunderschön, dass wir heute zusammen Gottesdienst feiern können. Wir sind heute nicht vollzählig: Maria ist in Korea bei ihrer Mutter; Esther ist in der Ergänzungsfachwoche. Mögen sie beide dort, wo sie sind, als Hirtinnen und Segen fungieren! Gott will uns kostbar für sein Werk gebrauchen, noch viel kostbarer, als wir uns das jetzt schon vorstellen können. Doch zuerst von allem ist unsere persönliche Beziehung zum HERRN. Es gilt, seine Vergebung anzunehmen und tiefgehend zu erleben. Vertrauen wir auf den HERRN, der mit seinem Sohn die Errettung schon vollbracht hat, und der unser Leben wunderbar führt. – Lesen wir den Titel meiner Botschaft: «Hier bin ich, sende mich». Und lesen wir zusammen den heutigen Leitvers, Vers 8:

Und ich hörte die Stimme des HERRN, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!

Jesaja 6,8

Auch diesmal nimmt uns die Geschichte, die ich erzählen möchte, mit in den Osten. Nicht mehr nach China, sondern ins Russland vergangener Zeiten. Die Story habe ich auf meinem Bibelkalender gelesen. Zar Nikolaus hatte die Gewohnheit, die Unterkünfte seiner Armee inkognito zu besuchen. Eines Nachts fand er einen jungen Offizier, den Sohn eines Freundes, eingeschlafen, den Kopf auf dem Tisch. Vor ihm lag eine geladene Pistole und ein Blatt Papier, auf dem der junge Mann alle seine Schulden aufaddiert hatte. Dabei handelte es sich um Beträge, die er beim Glücksspiel verloren hatte. Seine Situation schien ihm ausweglos; er wollte mit seinem Leben Schluss machen. Unten auf den Zettel hatte er geschrieben: «Wer könnte eine so grosse Schuld begleichen?» Erschöpft und vor Kummer war er schliesslich eingeschlafen. Der erste Gedanke des Zaren war, ihn zu wecken, um ihm eine Strafe zu verpassen. Dann änderte er seine Meinung: War dieser Mann nicht der Sohn seines Freundes? Er beschloss, ihm zu vergeben. Aber die Vergebung tilgte nicht die Geldschulden des jungen Mannes, und die Gerechtigkeit erforderte, dass die Schuld beglichen wurde. Also nahm er die Feder, die noch auf dem Tisch lag, und schrieb unter die verzweifelte Frage des Offiziers: «Ich, Nikolaus.»

Es gibt sie tatsächlich, solche Barmherzigkeit. Unter den Menschen, und ungleich mehr beim HERRN! Er ist der Allmächtige, der Herrliche, dreimal heilig. Er hat alle Macht, alle Weisheit und er bleibt ewig. Doch das Erstaunlichste an ihm ist, dass sein Wesen Liebe ist. Reine, unbegreiflich grosse und tiefe Liebe. Er giesst sie im absoluten Überfluss über den Seinen aus. Und diese Liebe ist es auch, die uns dazu motiviert, uns an seinem Erlösungswerk zu beteiligen. Zum Beispiel, indem wir selber auch barmherzig sind und Liebe üben. Und vor allem, indem wir anderen Gottes Wort weitergeben.

Teil 1: Hiermit sind deine Lippen berührt (Verse 1-7)

Die Gegebenheit geschah mitten im 8. Jahrhundert vor Christus. Die beiden Reiche Juda und Nordisrael waren schon seit etwa 200 Jahren getrennt voneinander. Was den Glauben betrifft, stand es im Volk Gottes nicht gut. Die meisten Israeliten betrieben Götzendienst und hatten an verschiedenen Orten Stätten, an denen sie fremden Göttern opferten. Doch der HERR gab sie nicht auf und sandte ihnen immer wieder Propheten, die sie vor Gottes Gericht warnten und sie zur Umkehr aufriefen. Gott wollte sein Volk nicht verderben und ertrug es geduldig, jahrhundertelang. In Juda regierten noch Könige, die direkte Nachkommen des Königs David waren. Darunter waren einige, die taten, was dem HERRN wohlgefiel – anders als die Könige Nordisraels. Denn Gott hatte versprochen, in Juda eine Leuchte zu haben. Auch der König Usija war weitgehend ein guter König. Ganze 52 Jahre dauerte seine Regierungszeit. Unter ihm ging es Juda gut. Usija kämpfte erfolgreich gegen die Philister und die Mëuniter. Auch baute er die Infrastruktur in seinem Reich stark aus und förderte die Agrarwirtschaft. Aber als er sehr mächtig und berühmt war, überhob sich sein Herz. Er räucherte im Haus des HERRN, obwohl ihn der Priester Secharja davor warnte. Darum wurde er aussätzig. Fortan musste er isoliert leben und sein Sohn Jotam übernahm die Regierungsgeschäfte. Im Jahr 733 starb Usija schliesslich. Und in diesem Jahr war es, dass der Prophet Jesaja vom HERRN zum Propheten berufen wurde.

Lesen wir gemeinsam den Vers 1: «In dem Jahr, als der König Usija starb, sah ich den HERRN sitzen auf einem hohen und erhabenen Thron und sein Saum füllte den Tempel.» Es ist möglich, dass sich Jesaja im Tempel zu Jerusalem befand, als er diese Vision sah. Der Anblick muss von einer derartigen Macht und Herrlichkeit gewesen sein, wie wir uns das gar nicht vorstellen können. Wenn Jesaja auch nicht das Gesicht Gottes sah – das können Sterbliche nicht einmal in der klarsten Vision sehen, – so sah er doch seine Gestalt. Diese war zu mächtig, um sie zu überblicken, und die unglaubliche Präsenz des HERRN füllte alles aus. Bei ihm waren himmlische Gestalten, die Zeugnis von seiner Herrlichkeit, Heiligkeit und Erhabenheit gaben: Serafim standen über ihm; ein jeder hatte sechs Flügel: Mit zweien deckten sie ihr Antlitz, mit zweien deckten sie ihre Füsse und mit zweien flogen sie. Die Seraphim waren hohe, überirdische Wesen. Aber sie konnten dem HERRN nicht ins Angesicht schauen, sondern sie verdeckten ihr Gesicht in Demut. Sie wollten sich vor ihm nicht als Persönlichkeiten zeigen oder gar profilieren. In dieser Hinsicht verhielten sie sich wie Johannes der Täufer. Dieser bezeichnete sich nicht als Prophet, sondern nur als eine Stimme. Er nahm sich ganz zurück, um stattdessen auf Jesus und dessen wundervolle Persönlichkeit zu verweisen. Er sprach über den Christus und nicht über sich. Die Seraphim waren dienstbare Geister vor dem HERRN. Ihre Demut zeigten sie auch, indem sie ihre Füsse bedeckten. Damals galten die Füsse als eher etwas Schamvolles, Niedriges: Sie waren voller Schmutz, da man barfuss ging oder in Schuhen, die Staub und Dreck nicht von den Füssen fernhielten. In der Gegenwart Gottes wird uns bewusst, wie unzulänglich und wie sündhaft wir sind. Es gibt viele Dinge, derer wir uns schämen. Es ist gut, wenn wir die Gemeinschaft mit Gott ernst nehmen und nicht mit verschmutzter alter Kleidung zum Gottesdienst oder zum Beten gehen. Aber in beim HERRN geht es in allererster Linie nicht um uns, sondern um den HERRN selbst. Das hatten die Seraphim perfekt auf dem Schirm. Ihr Herz und ihr Mund waren erfüllt von Gotteslob. Aus ihrem Mund kamen Worte wie ein himmlischer Lobgesang. Darin bezeugten sie den HERRN: «Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!» Sagen wir dies einmal alle zusammen: «Heilig, heilig, heilig ist der HERR Zebaoth, alle Lande sind seiner Ehre voll!» Amen! Es genügte den Seraphim nicht, den HERRN nur einmal als heilig zu bezeichnen. Sie sagten das Wort dreimal. Drei wie die Heilige Dreieinigkeit: Vater, Sohn und Geist. Auch bezeugten die Himmelsgestalten den HERRN als König über alle Welt. Der HERR war und ist nicht nur bei den Juden zu finden oder bei den Christen. Er hat längst sein Wirken und seine Kinder in sämtliche Länder der Erde ausgesandt, um überall Menschen zu ihm zu bringen. Zwar gibt es noch die vielfältigen Einflüsse des Satans. Aber einst wird der Teufel vollständig vernichtet werden; das weiss er und versucht noch, zu schaden, wo er kann. Er hat keine Chance, die, die Jesus fest bei sich hat, zum Abfall zu bringen. Uns kann niemand aus der Hand Jesu reissen. Der HERR regiert bereits in den Herzen derer, die ihn angenommen haben. Er offenbart seine Ehre durch ihr Leben.

Und so war in Jesajas Vision alles erfüllt von dieser Herrlichkeit. Wie der Vers 4 sagt: Und die Schwellen bebten von der Stimme ihres Rufens und das Haus ward voll Rauch. Der Rauch kann den Heiligen Geist symbolisieren. Oder aber die Gebete der Kinder Gottes, die zum HERRN aufgestiegen sind und die er seither um sich herum und in seinem Herzen hat. Auch die unseren! Wo es einen Gebetsaltar gibt, der fest gebaut ist aus den innigen Gebeten vieler Gläubiger, da herrscht bisweilen eine ganz besondere Stimmung. Ich bezeichne diese als «geistlich aufgeladen», auch wenn das vielleicht nicht der zutreffende Ausdruck ist. Auch ich habe das schon erlebt, vor einigen Jahren, im Gemeindezentrum der Bonn UBF. Es war Sonntagmorgen früh. Ich wollte in den grossen Gottesdienstraum gehen, um für mich alleine zu beten. Froh und unbeschwert ging ich los. Doch als ich den Raum betrat, wurde ich auf einmal voller Ehrfurcht. Da war etwas Heiliges an diesem Ort. Ich fühlte mich fast wie unbefugt, weiter im Raum zu bleiben; fast hätte ich kehrt gemacht und wäre wieder gegangen. Und doch war es schön in dem Raum, denn Gottes Gegenwart war da. Ich gab mir einen Ruck, wählte einen Stuhl am Rande und begann zu beten.

Jesaja muss es ähnlich gegangen sein, natürlich noch in einer ganz anderen Dimension. Er wurde sich seiner sündigen Natur vollkommen bewusst in der unmittelbaren Gegenwart des HERRN. Das erinnert übrigens an ein anderes Ereignis in der Bibel, auch bei einer Berufung. Simon Petrus hatte dank Jesu Anweisung den Fischfang seines Lebens gemacht. Da erkannte er, dass er den Sohn Gottes vor sich hatte. Entsetzt sprach er: «Geh weg von mir, denn ich bin ein sündiger Mensch.» Aber Jesus ging nicht weg von ihm. Sondern berief ihn zum Menschenfischer. Mit einem einfachen «Fürchte dich nicht!», nahm er ihm seine Angst. Und wie war es bei Jesaja? Lesen wir zuerst gemeinsam den Vers 5: «Da sprach ich: Weh mir, ich vergehe! Denn ich bin unreiner Lippen und wohne unter einem Volk von unreinen Lippen; denn ich habe den König, den HERRN Zebaoth, gesehen mit meinen Augen.» Jesaja war ein frommer Mensch, der sich kaum etwas zuschulden hatte kommen lassen. Vor dem HERRN zählte das jedoch alles nicht. Jesaja konnte die Herrlichkeit und Macht des Anblicks des HERRN nicht ertragen. Er dachte, er müsste sterben, denn welcher lebendige Mensch kann Gott schauen? Ihm muss es gegangen sein wie bei den Israeliten, als der Berg Horeb in Feuer und Rauch gestanden hatte und sie Gottes Donnerstimme mit eigenen Ohren gehört hatten. Darum hatten sie denn auch darum gebeten, fortan Gottes Worte durch einen menschlichen Mittler zu hören. Was Gott denn auch erfüllt hatte. – Jesaja hatte möglicherweise Dinge vor dem HERRN geredet, die nicht richtig waren. Darum nannte er vielleicht gerade die unreinen Lippen als sein geistliches Defizit. Auch kam er aus einem Volk, das nachgewiesenermassen dem HERRN nicht so diente, wie es sollte. Dessen Lippen Gebete zu anderen Göttern sprachen. Er tat wunderbar gut daran, seine Sünden vor dem HERRN einzugestehen. Denn wie bereitwillig wollte der HERR ihm sie vergeben!

Wie geschah das? Lesen wir gemeinsam die Verse 6 und 7: «Da flog einer der Serafim zu mir und hatte eine glühende Kohle in der Hand, die er mit der Zange vom Altar nahm, und rührte meinen Mund an und sprach: Siehe, hiermit sind deine Lippen berührt, dass deine Schuld von dir genommen werde und deine Sünde gesühnt sei.» Auf dem Altar brannte das Feuer des HERRN. Dieses konnte das Böse verbrennen. Also auch die Sünde, die Jesaja noch auf sich lasten hatte. Er erlebte seine eigene Art der symbolischen Feuertaufe. Das kann für Jesus stehen, der uns Menschen mit dem Heiligen Geist und mit Feuer tauft. Und somit von den Sünden trennt, uns rein macht und uns zu neuen Menschen macht. Der Engel berührte mit einer glühenden Kohle Jesajas Lippen. Er ging also gezielt vor beim Vergeben der Sünden: Spezifisch die unreinen Lippen waren es, der von der Kohlenglut abbekam. Dann bekam Jesaja die Sündenvergebung zugesprochen. Seine Schuld war von ihm weggenommen und gesühnt! Auch wir können diese Zusicherung der Vergebung bekommen. Jesus sagt sie uns: «Mein Sohn» oder meine Tochter, «deine Sünden sind dir vergeben.» Jesus hat am Kreuz bereits den vollen Preis für unsere Sünden bezahlt. Für unsere vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen. Wir müssen seine Liebestaten nur annehmen, dann haben wir die volle Vergebung aller unserer Missetaten.

Teil 2: Wer will mein Bote sein? (Verse 8-13))

Wenn wir noch die Last unserer Sünden mit uns mitschleppen, ist es schwierig, dem HERRN zu dienen. Sorgen, Begierden, Egoismus usw. machen uns unfrei und hindern uns daran, bereit zu sein zum Dienen. Aber wenn Jesus uns die Sünden alle wegnimmt, sind wir vollkommen frei. Unser Herz ist mit himmlischer Freude erfüllt und wir sind offen dafür, das zu tun, zu was uns der HERR aussendet und beauftragt. So auch Jesaja. Anders als bei anderen Propheten, befahl Gott ihm aber nicht direkt, für ihn zu wirken. Er überliess ihm die Entscheidung. Lesen wir gemeinsam den Vers 8: «Und ich hörte die Stimme des HERRN, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!» Auch wenn der HERR uns mit Macht etwas sagen kann, dass wir es tun sollen: Er zwingt uns nie dazu, es zu tun. Er hat uns viel zu lieb, als dass er mit Zwang vorgehen würde. Schliesslich sollen wir nicht wieder geknechtet werden, wie uns die Sünde geknechtet haben. Sondern als freie Kinder Gottes gerne und mit Freude für ihn wirken. In der Gegenwart des HERRN muss Jesaja die Dringlichkeit gespürt haben, die in Gottes Frage lagen: Wer will mein Bote sein? Denn es war so notwendig und eilte, dass ein weiterer Mensch Gottes zum abtrünnigen Volk kam. Auch heute besteht diese Dringlichkeit: Es gibt überall ganz viele verlorene Schafe, die es gilt, zu Jesus zu bringen, damit sie gerettet werden. Darum will der HERR denn auch uns senden als Freudenbotinnen und -boten des Evangeliums. Es braucht jeden und jede von uns dazu. Jesaja muss sich überlegt haben: Wenn nicht er, wer denn sonst? Und selbst wenn er nur einer unter vielen Propheten gewesen wäre, er wäre vielleicht der Bereiteste von allen gewesen, Gottes Wort an sein Volk weiterzugeben. Denn er hatte, wie der HERR, ein Hirtenherz für die verlorenen Schäfchen im Gottesvolk. Auch wir brauchen ein solches Herz, wir brauchen Errettungswillen für die Menschen in unserem Volk, in unserem Umfeld, die den HERRN noch nicht kennen.

Als Jesaja seine Bereitschaft geäussert hatte, bekam er den konkreten Auftrag vom HERRN. Dieser Auftrag war aber kein schöner und schon gar nicht erst ein angenehmer. Denn Jesaja würde zu einem Volk sprechen, das ihn überhaupt nicht würde hören wollen! Gott warnte den frischgebackenen Propheten dementsprechend vor: «Geh hin und sprich zu diesem Volk: Höret und verstehet’s nicht; sehet und merket’s nicht! Verfette das Herz dieses Volks und ihre Ohren verschliesse und ihre Augen verklebe, dass sie nicht sehen mit ihren Augen noch hören mit ihren Ohren noch verstehen mit ihrem Herzen und sich nicht bekehren und genesen.» Damit war Jesaja gewappnet für den geballten Widerstand, der ihm entgegenschlagen würde. Da war ein Volk, das bestenfalls aus Gewohnheit Gottes Wort hörte, aber es nicht verstehen wollte. Ein Volk, das im Wohlstand lebte und bei dem das Fett der Nahrung, des Leibes und des materiellen Überflusses das Herz füllte, sodass da keine Bedürfnisse nach Gott waren. Ein Volk, das dachte, es wäre sehend, aber gegenüber dem HERRN und seiner Liebe waren ihre Augen zugeklebt mit dem krankmachenden Leim der Sünde und der Unbussfertigkeit. Dem Volk war kaum noch zu helfen. Und doch hatte der HERR noch einen kleinen Funken Hoffnung, wenigstens einige vom Volk zu ihm zu bekehren durch die Worte und Warnungen Jesajas. Wenn alle vom drohenden Gericht Gottes erfuhren, würde es doch ein paar wenige Menschen geben, die sensibel genug waren, davon Furcht zu bekommen und lieber den HERRN zu suchen, um dem Unheil vielleicht zu entgehen. Jesaja sollte seinem Volk die Wegführung aus dem Land in die babylonische Gefangenschaft ankündigen. Das war im Grunde beschlossene Sache: Gott musste sein Volk, das ganz dem Götzendienst verfallen war, züchtigen, um es wieder zu ihm zu bringen. Auch andere Propheten hatten Solches schon geweissagt, waren aber auf taube Ohren und sogar auf Hass gestossen. Vielfach warnte der HERR sie, bevor er kommen liess, was er angekündigt hatte. Jesaja fragte entsetzt, wie lange er denn die fast vergeblichen Predigten halten sollte. Gott offenbarte ihm als Antwort den Gesamtkontext seiner Mission. Sie war tatsächlich im Vorfeld der Wegführung nach Babel: Rund 200 Jahre sollte es noch dauern, bis diese Gefangenschaft eine schreckliche Tatsache werden sollte. «Bis die Städte wüst werden, ohne Einwohner, und die Häuser ohne Menschen und das Feld ganz wüst daliegt. Denn der HERR wird die Menschen weit wegführen, sodass das Land sehr verlassen sein wird.» Und genau so, wie Gott es hier voraussagte, traf es dann ein. Offenbar hatte das Volk tatsächlich nichts auf die Warnungen Gottes durch Jesaja gegeben.

Wollte der HERR denn sein Volk ganz verstossen? Nein, keineswegs! Er wollte einen Rest übrig lassen, der sich zu ihm bekehren würde. Gott wendet die Züchtigung dazu an, um Menschen, die sich weit von ihm entfernt haben, wieder zu ihm zurück zu bringen. Wenn sie die Strafe fühlen, besinnen sie sich wieder auf den HERRN und holen bei ihm Hilfe. Wenn ihnen das weggenommen wird, das sie liebten, das sie aber zur Sünde gebracht hat, begreifen sie: Ich bin ja vollkommen auf den HERRN angewiesen! In der Tat hatte der HERR grosse Hoffnung auf die Israeliten, auch nun, in der Zeit, in welcher sie so schrecklich sündigten. Diese Hoffnung tat er auch Jesaja kund – das muss dem Propheten einen Boost von Kraft und Motivation gegeben haben. Was sagte ihm der HERR? Lesen wir zusammen den Vers 13: «Auch wenn nur der zehnte Teil darin bleibt, so wird es abermals kahl gefressen werden, doch wie bei einer Terebinthe oder Eiche, von denen beim Fällen noch ein Stumpf bleibt. Ein heiliger Same wird solcher Stumpf sein.» Wenn man einen Baum fällt, dann haut man ihn zwar um, aber man lässt seine Wurzeln noch im Boden. Diese haben dort weiterhin Erde um sich und saugen Wasser, sodass das Leben noch in dem Baumstrunk bleibt. Er kann wieder ausschlagen und junge Triebe machen. Diese wiederum können zu einem neuen Baum wachsen. Neulich haben meine Eltern den Drachenbaum, den sie bei sich im Arbeitszimmer haben, zurückgeschnitten. Der war zu hoch gewachsen und wuchs bereits der Decke entlang. Sie stutzten ihn auf einen Drittel seiner Grösse. Und es verging so gut wie null Zeit und der Drachenbaum setzte an seiner Anschnittstelle wieder an. Er machte dort einen neuen Zweig und neue Blätter. Er wächst schnell und in ein paar Jahren wird er wieder so hoch sein, wie er war, und wieder an die zimmerdeckenförmige Grenze stossen.

Die Übriggebliebenen von Gottes Volk sind wie die Zweige, die aus einem Baumstrunk kommen. Auch heutzutage sind solche Menschen noch überall zu finden. Inmitten der gottlosen, verdorbenen Gesellschaft gibt es die Wenigen, die sich an den HERRN und an die reine Lehre Jesu halten. Solche Menschen können unscheinbar sein. Aber sie verbreiten das Licht des HERRN unter den Menschen und sind ein riesengrosser Segen für die Leute in ihrem Umfeld. Sie sind nicht edel und prächtig wie eine Zeder, sondern gering wie eine Eiche oder eine Terebinthe. Letzteres ist übrigens eine Unterart der Pistazie. Damit ist der Baum auch verwandt mit dem Mastixbaum, den es auf der griechischen Insel Chios gibt. Dieser Baum wird nicht so gross, meistens um die zwei Meter hoch. Er ist knorrig und seine Blätter sind relativ hart. Aber aus seinem Stamm kann man einen besonderen Gummi gewinnen: den Mastix. Dieser hat eine wohltuende, ja heilende Wirkung. Er ist besonders gut für das Verdauungssystem sowie für die Haut. Entsprechend verwendet man Mastix gerne als Zutat von Lebensmitteln sowie für Kosmetika und Salben. Auch hier: ein unscheinbares, nicht besonders attraktives Äusseres. Und eine segensreiche Wirkung.

Ein heiliger Same. Dieser kann aber auch für DEN heiligen Samen stehen, nämlich für Jesus Christus! Juda wurde ins Exil geführt. Aber kam siebzig Jahre später zurück. Leiblich gesehen, kommt Jesus aus dem Stamm Juda. Auch hier sehen wir, wie unfassbar gross Gottes Hoffnung noch war für das Volk, das er einst als heiliges Volk und als sein Eigentum berufen hatte. Und auch, dass er an seiner Verheissung immer festhält. Ihn gereut nichts. Was er versprochen hat, das hält er ein. Alles! Es gibt nicht einen Buchstaben, ja ein Tüpfelchen von Gottes Wort, das sich nicht erfüllen wird.

Zum Schluss

Lesen wir nochmals zusammen den Leitvers, Vers 8: «Und ich hörte die Stimme des Herrn, wie er sprach: Wen soll ich senden? Wer will unser Bote sein? Ich aber sprach: Hier bin ich, sende mich!»

Das heutige Wort hat uns mitgenommen in die Welt Judas im 8. Jahrhundert vor Christus. Und doch kommt uns das, was wir sehen, reichlich bekannt vor von der heutigen Zeit: Überall wollen Menschen ohne Gott leben und beten andere Dinge an. Wohlstand, Vergnügungen usw. sind ihre Götzen. Und nach wie vor ist Gott da. Mit all seiner Herrlichkeit, mit all seiner Macht, mit seinem Königtum über diese Welt. Und mit all seiner Liebe, seiner Vergebungsgnade und seiner Hoffnung. Lassen wir uns ein auf diesen Gott! Kommen wir zu ihm, spüren wir seine Gegenwart. Nehmen wir das an, was sein Sohn Jesus Christus für uns getan hat: Er hat sein Leben am Kreuz geopfert, sodass unsere Sünden gesühnt sind. Wer dies annimmt, den / die tauft er mit dem Heiligen Geist und macht ihn / sie zu einer neuen Kreatur. Und diese Kreatur ist vollkommen bereit, dem HERRN zu dienen und sein Wort in die Welt hinaus zu tragen. Ausgerüstet mit einem Hirtenherzen und Errettungswillen für die verlorenen Seelen im Umfeld. Und mit der Hoffnung, diejenigen zu finden, die sich bekehren lassen. Und die ihrerseits zu Jünger/innen Jesu, zu Freudeboten, zu Hirtinnen, zu kostbaren Kindern Gottes werden.

Möge der HERR jedem und jeder von uns in der tiefen Gemeinschaft mit ihm und in seinem Wort begegnen. Möge er uns offene geistliche Augen und offene Herzen für ihn geben. Ich bete, dass wir grosse Freude an seiner Nähe und an seiner Liebe haben. Und dass wir ganz annehmen, was Jesus für uns getan hat. Seine Güte führt uns zur Busse. Ist uns vergeben, so sind wir bereit, zu dienen. Möge der HERR uns mit allem ausrüsten, das wir brauchen, um zu dienen. Und uns aussenden, uns je passende Aufgaben für sein Werk geben und uns kostbar für sein Erlösungswerk gebrauchen. Früchte seiner Liebe, freie Kinder, heilige neue Pflänzchen aus dem Strunk, wunderbare Segensquellen für die Menschen dieser Welt – das sind wir!