Jesus ist der Eckstein

Lukas 20,1-19

Guten Morgen! Ein Segen, dass wir wieder alle beisammen sind! Das ist nicht selbstverständlich, wie wir in den letzten Wochen gesehen haben. Umso schöner aber ist es. Möge die Freude daran, dass wir hier zusammen Gottes Gegenwart geniessen dürfen, uns umso offener für den HERRN und sein Wort machen. Im heutigen Wort sehen wir, wie sehr sich Jesus darum bemüht, unsere Herzen zu gewinnen und offen für ihn zu machen. Er kann uns mit seinem Wort auch mal richtig herausfordern. Aber umso segensreicher und wirksamer ist es, wenn wir die Challenge annehmen! Leider tun das nicht alle, wie wir bei den geistlichen Oberen sehen werden. – Lesen wir zusammen den Titel meiner Botschaft: «Jesus ist der Eckstein.» Und lesen wir zusammen den Leitvers, Vers 17.

Er aber sah sie an und sprach: Was bedeutet dann das, was geschrieben steht: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden«?

Lukas 20,17

Die folgende Geschichte ist inspiriert von einer wahren Begebenheit. Sabrina lebt in einem kleinen Dorf. Im nahen Wald wurde sie als Neunjährige vergewaltigt. Die Folge war ein schweres Trauma, welches erst nach vielen Jahren leichter wurde. Dies dank einer guten Therapie, aber auch durch Beten und Bibellesen. Denn Sabrinas Eltern sind gläubig. Für Sabrina war der Glaube eine Hilfe, aber irgendwie liess sie sich nie ganz auf den HERRN ein. Dennoch ging sie jeden Sonntag in die Kirche. Sie lebte ihr Leben, ging zur Schule und machte dann eine Ausbildung in der Pflege. Der Mann, der sie vergewaltigt hatte, ist ein angesehener Mann, der Inhaber der grössten Firma in der Umgebung. Darum konnte ihn Sabrina auch nicht anprangern; man würde wohl ihm glauben und nicht ihr. Auch wenn sie den Gedanken an ihn oft verdrängte, begegnete sie seinem Namen doch immer wieder in News und Dorfgesprächen. Dann empfand sie eine tiefgreifende Abneigung. Kurz vor dem Abschluss ihrer Ausbildung bekam Sabrina trotz ihres gesunden Lebensstils Herzprobleme. Manchmal wachte sie in der Nacht mit Schmerzen und Übelkeit auf und hatte das Gefühl, gleich einen Herzinfarkt zu erleiden. Als es eines Nachts besonders schlimm wurde, flehte sie Jesus um Hilfe an. Unter anderem bat sie: „Gib mir ein passendes Wort!“ Am nächsten Tag war Sonntag und Sabrina ging in die Kirche. In der Predigt war Lukas 6 dran. Die Verse 27 und 28 erschütterten Sabrina: „Aber ich sage euch, die ihr zuhört: Liebt eure Feinde; tut wohl denen, die euch hassen; segnet, die euch verfluchen; bittet für die, die euch beleidigen.“ Sie wusste gleich, das war für sie. Auf dem Heimweg schrie sie den HERRN in Gedanken an: „Wie soll das gehen? Soll ich in das Haus meines Vergewaltigers gehen, ihm meine Freundschaft anbieten und dann ist Friede, Freude, Eierkuchen?“ Am Abend aber, wieder unter Schmerzen, leistete sie erstmals Fürbitte für ihren Vergewaltiger. Als der ihr am nächsten Tag zufällig über den Weg lief, grüsste sie ihn und sah seine krankhaft abgemagerte Gestalt. Sie strahlte ihn an und sagte: „Jesus liebt Sie. Von ganzem Herzen.“ Es vergingen einige Wochen, als eines Sonntags Sabrinas Vergewaltiger in der Kirche Platz nahm! Da war inzwischen Lukas 23 an der Reihe. Wo Jesus am Kreuz sagte: „Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!“ Das wiederum frappierte Sabrinas Vergewaltiger. Er sah den direkten Zusammenhang mit seiner Begegnung mit Sabrina einige Wochen zuvor. Nach der Predigt ging er nach vorne und gestand vor allen anderen unter Tränen seine Vergewaltigungstat. Sabrina trat unaufgefordert hinzu und vergab dem Mann. Seither hat sie keine Herzprobleme mehr. Der Firmenbesitzer sieht um einiges gesünder aus als vorher. Und im Dorf schenkt man sich seither viel häufiger ein Lächeln.

Hier hat eine Person wirklich Jesu Liebe in ihr Herz gelassen. Sabrina wurde dadurch frei, nicht nur ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen, sondern anderen mit der Liebe Jesu zu begegnen. Sie nahm sich Gottes Wort zu Herzen und befolgte es. Daraus kam reicher Segen! So wird es auch in unserem Leben sein, wenn wir den Christus in unser Herz lassen und uns von seiner Liebe mitnehmen lassen. Wenn wir dagegen unser Herz verhärten, kann es sein, dass diese Härte um sich greift und sich versteift und vergrössert. Das war offenbar bei den geistlichen Leitern zu Jesu Wirkungszeit der Fall.

Teil 1: Vom Himmel oder von Menschen? (Verse 1-8)

Jesus wirkte rund drei Jahre als Mensch auf Erden. Er hatte nicht viel Zeit; daher war es für ihn umso notwendiger, dass er möglichst viele Leute lehrte, heilte und rettete. Vor allem wollte er das Wort Gottes so lehren, wie es war – anders als die geistlichen Leiter, die dem unbelesenen Volk das Wort auch manipulativ auslegen konnten, zu ihren Gunsten. Jesus bewies, dass er selber das Fleisch gewordene Wort Gottes und der Sohn des Höchsten ist. Er war von seinem Vater im Himmel gesandt, um dessen Werke nach seinem Willen zu tun. Aus dieser Vollmacht heraus hatte er auch den Tempel gereinigt, alle korrupten Händler dort ausgetrieben und das Gotteshaus wieder seinem ursprünglichen Zweck zugeführt. Wie er gesagt hatte: «Es steht geschrieben: »Mein Haus wird ein Bethaus sein«; ihr aber habt es zur Räuberhöhle gemacht.» Wie sehr wünscht sich Jesus, dass die Menschen ihr eigenes Herz auch nicht zur Räuberhöhle machen, sondern Habgier und Egoismus aus diesem räumen und stattdessen Jesus und Gott Platz darin machen! Jesu Tun wurde den geistlichen Oberen langsam unheimlich. Sie sahen sich einer ernst zu nehmenden Konkurrenz um die geistliche Hoheit und um das Ansehen im Volk gegenüber. Immerhin war Jesus unter lauten Jubelrufen wie für einen König in Jerusalem eingezogen. Er hatte die geistlichen Oberen überrascht und vor den Kopf gestossen mit seiner Tempelreinigung. Und er lehrte so lebendig und von Herzen, dass sich das Volk davon bewegen liess und ihn liebend gerne hörte… Wie reagierten die geistlichen Leiter darauf? Lesen wir zusammen die Verse 1 und 2: «Und es begab sich eines Tages, als er das Volk lehrte im Tempel und predigte das Evangelium, da traten zu ihm die Hohenpriester und die Schriftgelehrten mit den Ältesten und sprachen zu ihm: Sage uns, aus welcher Vollmacht tust du das? Oder wer hat dir diese Macht gegeben?» Die geistlichen Leiter hatten offenbar auch politische Leiter für ihr Ansinnen gewinnen können. Und so stand nun so gut wie alles, was in Israel Rang und Namen hatte, Jesus gegenüber. Doch dieser fürchtete sich nicht vor dieser Übermacht, sondern hörte sich an, was diese Menschen ihm zu sagen hatten. Sie fragten ihn nach seiner Vollmacht. Damit stellten sie ihm eine Fangfrage in der Hoffnung, dass sie dann etwas gegen ihn in der Hand haben würden. Solches versuchten sie immer wieder, da sie danach trachteten, ihren ‘Konkurrenten’ auszuschalten. Die Frage konnte Jesus nur so beantworten, dass es ihm schaden würde. Würde er sagen, dass er dies aus eigener oder menschlicher Initiative tun würde, so wäre seine geistliche Autorität dahin. Man würde ihn festnehmen und ihm das Lehren und Wirken verbieten können. Würde er sagen, dass er das aus Gottes Vollmacht tun würde, so würde man ihn als Gotteslästerer verhaften, da er sich selbst zum Sohn Gottes mache. Hier sehen wir deutlich, dass die geistlichen Oberen Jesus nicht als den Messias erkennen konnten. Sie sahen ihn als einen Menschen. Darum würde es Jesus zur Falle, wenn er nun die Wahrheit sagen würde: Seine Vollmacht kommt tatsächlich von Gott.

Jesus wich der Frage aus. Seine Antwort war von göttlicher Weisheit geprägt. Indem er die Frage nicht beantwortete, sondern eine Gegenfrage stellte, konnte er für seine Antwort nicht belangt werden. Die Wahrheit über sich würde er dennoch sprechen, nämlich zu Gottes Zeit, auch wenn sie ihm das Leben kosten würde… Die Gegenfrage, die Jesus den Oberen stellte, lautete: «Die Taufe des Johannes – war sie vom Himmel oder von Menschen?» Mit dieser Frage hielt Jesus diesen Mächtigen einen Spiegel vor. Sie waren es, und nicht Jesus, die ein Problem mit der geistlichen Vollmacht hatten. Genauer gesagt in ihrem Fall: mit der Anerkennung dieser Vollmacht. Sie hatten Johannes den Täufer nicht als Mann Gottes anerkannt, weil er nicht aus ihren Reihen stammte. Das Volk aber hatte ihn anerkannt und sich taufen lassen zur Busse zur Sündenvergebung. Nun aber stand mit Jesus ein noch ungleich Grösserer vor ihnen. Und auch ihn anerkannten sie nicht, da er keine theologische Ausbildung hatte und nicht aus dem Stamm Levi war, sondern aus Juda. Die Oberen überlegten sich nun, was sie auf Jesu Frage antworten sollten. Ihre Gedanken sind in den Versen 5 und 6 festgehalten: «Sagen wir, vom Himmel, so wird er sagen: Warum habt ihr ihm nicht geglaubt? Sagen wir aber, von Menschen, so wird uns alles Volk steinigen; denn sie sind überzeugt, dass Johannes ein Prophet war.» Diese Überlegungen zeigen die Denkweise und das Ziel dieser Oberen. Es ging ihnen nicht um die Wahrheit, sondern darum, das zu sagen und zu tun, was ihnen Vorteile brachte respektive Nachteile verhinderte. Sie stellten offenbar nicht Gott, sondern ihr Ansehen in den Mittelpunkt. Wenn sie Gottes Worte einhielten, dann nicht aus Liebe zu ihm, sondern um gesehen zu werden. Wie Jesus in Matthäus 15 den Propheten Jesaja zitiert: «Dies Volk ehrt mich mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von mir; vergeblich dienen sie mir, weil sie lehren solche Lehren, die nichts als Menschengebote sind.» Das erfüllte sich hier durch die geistlichen Leiter. Auch hielten diese Gottes Gesetze wohl auch ein, weil sie sich ihre Errettung irgendwie verdienen wollten. Sie irrten also innerhalb der geistlichen Welt herum, anstatt ihr Herz Jesus zu öffnen. Ihre Antwort auf Jesu Frage war nicht der Wahrheit gemäss, aber schützte sie. Sie sagten einfach, sie würden es nicht wissen. Jesus antwortete: «So sage ich euch auch nicht, aus welcher Vollmacht ich das tue.» Damit musste er die ursprüngliche Fangfrage nicht beantworten. Er konnte bei den geistlichen Oberen nicht landen mit seinen Worten. Da sie sich vor ihm verschlossen, nützte es nichts, wenn er ihnen seine himmlischen Geheimnisse offenbarte. Dahingegen bekamen viele vom Volk Jesu lebendiges Wort und wurden verändert und selig. Und doch wollte Jesus die geistlichen Oberen bis zuletzt nicht aufgeben. Denn er liebte auch sie mit seiner göttlichen, unbestechlichen, bedingungslosen Liebe.

Teil 2: Von den bösen Weingärtnern (Verse 9-19)

In der Hoffnung, die geistlichen Leiter dennoch aufrütteln zu können, sagte Jesus in ihrem Beisein dem Volk ein Gleichnis. Es ist das berühmte Gleichnis von den bösen Weingärtnern. Lesen wir gemeinsam die Verse 9 bis 12: «Er fing aber an, dem Volk dies Gleichnis zu sagen: Ein Mensch pflanzte einen Weinberg und verpachtete ihn an Weingärtner und ging ausser Landes für eine lange Zeit. Und als die Zeit kam, sandte er einen Knecht zu den Weingärtnern, damit sie ihm seinen Anteil gäben an der Frucht des Weinbergs. Aber die Weingärtner schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Und er sandte noch einen zweiten Knecht; sie aber schlugen den auch und schmähten ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Und er sandte noch einen dritten; sie aber schlugen auch den blutig und stiessen ihn hinaus.» Dieses Verhalten der Weingärtner ist für uns völlig unlogisch. Sie hatten einen wunderbaren Arbeitsplatz bekommen und konnten selber Wein herstellen, trinken und verkaufen. Sie hätten ihrem Arbeitgeber, dem Verpächter, nur seinen abgemachten Anteil an Trauben abgeben müssen. Aber stattdessen wollten sie alle Trauben für sich haben! Das zeigt, dass sie keine Dankbarkeit gegenüber dem Verpächter hatten. Sonst hätten sie ihm mit Freude mindestens das gegeben, was ihm zustand. Stattdessen begannen sie, den Weinberg als ihr Eigentum zu betrachten. Da hatte ihrer Meinung nach niemand etwas zu suchen, der von ihnen Weintrauben forderte. Der Weinbergbesitzer steht hier für Gott. Der Weinberg steht für das, was der HERR uns geschenkt hat, um es gut zu verwalten: sein Werk, unser Leben, unsere Ressourcen. Die Arbeit im Weinberg steht für das Leben nach der Berufung und dafür, wie wir mit Gottes reichen Geschenken umgehen. Die bösen Weingärtner sind ein Sinnbild der geistlichen Oberen; die Knechte des Verpächters stehen für die Propheten, die sie im Laufe von Israels Geschichte immer wieder ermahnt und zur Umkehr zu Gott aufgerufen hatten. Doch diese hatten sich von ihnen nichts sagen lassen und waren je länger, je gewalttätiger zu ihnen gewesen. Das Verhalten der bösen Weingärtner erinnert auch an Menschen, die ihr Leben nicht unter Jesu Liebesherrschaft stellen wollen, sondern am liebsten ihr eigener Herr oder ihre eigene Herrin sein wollen. Und an Nichtgläubige, die nichts von Gottes Wort wissen möchten. Gemeinsam haben beide, dass sie sich nicht vom HERRN in ihr Leben dreinreden lassen wollen. Darum werden sie bisweilen rebellisch gegen Gottes Wort und gegen die Kinder Gottes. Fast wie einst der König Ahab in Nordisrael, der den Propheten Elia als Unglücksboten statt als Rabbi mit lebengebender Lehre angesehen hatte.

Der Weinbergbesitzer bekam natürlich schnell etwas mit von der grossen Bosheit seiner Weingärtner. Er hätte sie schon nach ihrer ersten Tat bestrafen können, aber hierfür war er viel zu gütig. Immer neue Knechte sandte er zu ihnen. Und als das nichts fruchtete, fand er eine riskante Lösung. Er wusste nicht, ob sie funktionieren würde, aber versuchen wollte er es in seiner unveränderten Liebe und Hoffnung gegenüber den Weinarbeitern. Lesen wir zusammen den Vers 13: «Da sprach der Herr des Weinbergs: Was soll ich tun? Ich will meinen lieben Sohn senden; vielleicht werden sie sich vor dem scheuen.» Gott hatte die Israeliten nie verworfen, egal wie oft sie sich gegen ihn aufgelehnt hatten. Für dies war seine Liebe zu seinem Volk viel zu gross, und er hatte seinen Bund mit ihm immer vor Augen. Er kannte ihr Herz genau. Dennoch, oder gerade deshalb, sandte er mit Jesus das Kostbarste, was er hatte, zu seinem Volk: seinen eigenen Sohn! Auch Jesus sah natürlich ins Herz der geistlichen Leiter. Er wusste, dass sie ihn festnehmen und kreuzigen würden. Und so geht auch sein Gleichnis entsprechend weiter. Lesen wir zusammen den Vers 14: «Als aber die Weingärtner den Sohn sahen, dachten sie bei sich selbst und sprachen: Das ist der Erbe; lasst uns ihn töten, damit das Erbe unser sei!» Die Weingärtner dachten vermutlich, dass der Weinbergbesitzer tot sei, als sie dessen Sohn bei ihnen auftauchen sahen. Wenn dieser nun auch weg wäre, dachten sie, dann hätte niemand mehr einen Anspruch auf den Weinberg. Dann könnten sie ihn in Ruhe in Besitz nehmen und niemand mehr würde auch nur eine einzige Traube von ihnen verlangen. Erschreckend, wie egoistisch und verbohrt diese Weingärtner geworden waren! Sie handelten schnell: Sie stiessen den Sohn des Weinbergbesitzers hinaus vor den Weinberg und töteten ihn. Als Jesus diese Stelle des Gleichnisses erzählte, hatte er sicher die Hoffnung, dass sich Volk und Obere daran erinnern würden, wenn sie Jesus am Kreuz hängen sehen würden… Jesus fragte die Zuhörenden: «Was wird nun der Herr des Weinbergs mit ihnen tun?» Er beantwortete die Frage selber: «Er wird kommen und diese Weingärtner umbringen und seinen Weinberg andern geben.» Mit dem Weinberg ist es wie mit Gottes Werk. Wenn jemand seine Aufgaben dafür nicht wahrnimmt, obwohl dazu berufen, wird er oder sie diese Aufgaben irgendwann verlieren und eine andere Person wird sie übernehmen. Die Israeliten sind das ursprüngliche Volk Gottes, berufen als Licht der Welt. Aber die grosse Mehrheit von ihnen nahm Jesus nicht an. Darum gingen das Evangelium und der Auftrag, dieses zu verkünden, an die Heiden. Diese sind die neuen Weingärtner. Damit will Gott einerseits sein Volk dazu bringen, sich zu ihm zu bekehren und Jesus endlich anzunehmen. Oder wie er durch Mose gesagt hatte: «Ich will euch eifersüchtig machen auf ein Nicht-Volk; über ein unverständiges Volk will ich euch zornig machen.» Andererseits gebraucht der HERR Israels Verstockung zum Heil der Heiden, indem unter ihnen seither das Evangelium gepredigt wird. So kommen weltweit täglich neue Menschen zur grossen Glaubensfamilie unter Jesus hinzu. – Als die Zuhörenden das Ende von Jesu Gleichnis hörten, waren sie erschrocken und riefen aus: «Das sei ferne!» So eine Bosheit der Weingärtner, so eine Strafe für sie, krass! An dieser Stelle wurde auch das Herz der geistlichen Leiter ein kleines Bisschen bewegt. Hätten sie doch gerade hier eingelenkt und sich von Jesus durch dieses Gleichnis etwas sagen lassen!

Manchmal fordert ein Wort Gottes auch uns heraus. Das ist der Fall, wenn es unserem eigenen Willen und unseren Neigungen widerspricht. Gehorchen wir ihm dennoch, bringt uns dies sehr viel Gutes und hilft uns, im Glauben zu wachsen. Dem leiste ich noch lange nicht immer Folge – ich bin keine Heilige -, aber habe es auch schon getan. So ging es mir beispielsweise vor einigen Jahren. Ich bin eine Person, die in manchen Situationen ziemlich nachtragend ist. Der HERR aber will, dass ich meinen Groll auf Personen, die böse zu mir gewesen sind, beiseitelege und meinen falschen Stolz wegwerfe. Eines Tages hatte ich mit einer Frau Streit, die im gleichen Stock wohnte wie ich. Es störte sie Lärm von mir, und sie reagierte spöttisch auf mich. Das traf mich. Was für andere Menschen wohl keine grosse Sache gewesen wäre, triggerte mich, da ich früher als Mobbingopfer Spott erlitten hatte. So wallten in mir Zorn und Abneigung auf. Am Abend desselben Tages trafen wir uns in der Gemeinde zu Bibelstudium und Gebet. Mein Zorn blieb. Bis ich dann in der Gebetsstunde zum HERRN kam. Ich dachte an sein Gebot, anderen Menschen zu vergeben. Im Vaterunser bete ich immer wieder die Zeile mit: „wie auch wir vergeben unseren Schuldigern“. In dem Moment wurde mir klar, dass das für mich genauso gilt wie für alle anderen Gläubigen. Ich begann im Gebet, darum zu ringen, den Zorn auf jene Frau zu überwinden. Es gelang mir schliesslich, und ich entdeckte die Methode, die mir auch heute noch am besten gegen Groll auf andere Menschen hilft: Fürbitte! Ich betete für die Frau. Danach kehrte Frieden in meinem Herzen ein. Der Groll war weg und ich fühlte mich ganz frei und fröhlich. Als ich nach Hause kam und auf meinem Stockwerk durch den Flur ging, senkte ich nicht mehr den Blick, sobald ich an der Tür jener Frau vorbeikam. Nein, ich hielt meinen Kopf aufrecht. Und ich pfiff sogar leise ein Lied vor mich hin. Eine solche Freiheit ist gesegnet und ein echtes Geschenk Gottes!

Zurück zum heutigen Wort. Jesus sah, wie die Zuhörenden auf sein Gleichnis reagierten. Sie verbanden es bereits irgendwie mit Jesus, aber wohl noch nicht so ganz. Er sah sie an. Sie konnten nicht einfach wegsehen. Jesus wollte mit ihnen in Beziehung treten mit seinen Worten und mit diesem eindrücklichen, von Liebe durchtränkten Blick. Mit den folgenden Worten legte er ihnen das Gleichnis sehr wirksam aus. Lesen wir gemeinsam die Verse 17 und 18: «Er aber sah sie an und sprach: Was bedeutet dann das, was geschrieben steht: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden«? Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.» Jesus lehrte die Zuhörerschaft damit über sich selbst. Er ist Gottes Sohn. Er möchte der Eckstein im Haus des Lebens von jedem Menschen auf der ganzen Welt sein. Auf diesen Stein hätten auch die geistlichen Leiter bauen sollen. Sie hatten ihn vor sich, ein tragender Stein, ein perfektes Fundament für ein Lebenshaus, das auch den grössten Fluten und den stärksten Stürmen standhalten würde. Aber stattdessen sahen sie ihn nur als einen unnützen, kantigen, unansehnlichen Stein an, mit dem man nichts anfangen konnte. Und sie verwarfen ihn. Nicht nur, dass sie ihr Leben nicht auf Jesus bauten und ihn nicht anerkannten. Nein, sie nahmen ihn fest, verurteilten ihn, folterten und verspotteten ihn, und schliesslich nagelten sie ihn sogar ans Kreuz. Ihn, der keine Sünde kennt und keinerlei Schuld trägt. Und doch hat er mit seinem Leiden und Sterben, an unserer statt, alle unsere Schuld und Sünden getragen! Durch seinen Tod und seine Auferstehung hat er Gottes Erlösungswerk vollbracht. Er hat das Allergrösste getan, das man für die Errettung von Seelen tun kann. Nicht durch Wundertaten oder ein Machtwort hat Gott die sündigen Menschen zur Rettung geführt, sondern indem er ihnen, uns, seinen eigenen Sohn geschenkt und hingegeben hat. Jesus hat Gottes Willen perfekt erfüllt. So hat er einen Namen bekommen, der über allen Namen steht. Er ist der Geber neuen und ewigen Lebens. Er will unser Fundament, unser Eckstein sein. Denn er allein ist der Weg zum Vater und zu seinem Reich. Auf diesen Weg will er uns mitnehmen, uns bei der Hand nehmen und uns führen in seiner Liebe und Gnade. Wer ihn jedoch nicht annimmt, wird daran straucheln und zu Fall kommen. «Wer auf diesen Stein fällt, der wird zerschellen; auf wen er aber fällt, den wird er zermalmen.» Auf den Stein fallen diejenigen, die den Lügen des Satans über Jesus auf den Leim gehen. Sie lehnen den Christus ab und sehen ihn als einen Stein des Anstosses, ja, als Fels des Ärgernisses. Und so weigern sie sich, seine Liebe in ihr Herz zu lassen, welche sie retten würde. Wenn sie alle Versuche des HERRN, sie dennoch zur Busse zu bringen, ablehnen, werden sie in die Verdammnis gehen. Einst wird Jesus wiederkommen. Dann wird es zu spät dafür sein, sich zu ihm zu bekehren. Und so wird er denen, die ohne ihn gelebt haben, zum Stein, der auf sie fällt und sie zermalmt. Jesu Worte über den Eckstein zeigen die Dringlichkeit des sich zu ihm Bekehrens. Er hatte nicht viel Zeit. Wir haben nicht viel Zeit. Die Jahre gehen so schnell vorbei und wir werden älter, ehe wir es uns versehen. Jesu Liebe ist im Hier und Jetzt. Und so möge auch unser Glaube, unser gelebter Glaube an Jesus, im Hier und Jetzt sein!

Die geistlichen Oberen reagierten nicht wie von Jesus gewünscht und erhofft. Sie wollten sich nicht zur Einsicht bringen lassen durch diese lebensnahe, weise Geschichte. Stattdessen wurden sie wütend, weil man ihre eigene Haltung in Frage stellte. Das passiert denen, die noch ein starkes Ego haben: Sie empören sich über das Aufdecken von Glaubensdefiziten und über Tipps, wie sie Gottes Wort in ihrem Leben umsetzen können, entgegen ihren Neigungen. Die geistlichen Leiter empfanden Jesu Gleichnis zudem als potenziell rufschädigend, sollte das Volk verstanden haben, dass sie damit gemeint waren. Darum reagierten sie auch rebellisch, wie der Vers 19 zeigt: «Und die Schriftgelehrten und die Hohenpriester trachteten danach, Hand an ihn zu legen noch in derselben Stunde, und fürchteten sich doch vor dem Volk; denn sie verstanden, dass er auf sie hin dies Gleichnis gesagt hatte.» Vorerst liessen sie Jesus in Ruhe. Das Motiv dazu war ein rein weltliches: Sie wollten den Zorn des Volkes, das Jesus hochachtete, nicht auf sich ziehen. Gott gebrauchte jedoch sogar die Wut und die Härte der geistlichen Oberen für sein Werk: Sie würden Jesus kreuzigen, und Jesu Kreuzigung nagelte alle unsere Sünden ein für allemal ans Kreuz. Mit Jesu Blut haben wir eine reichlich fliessende, nie versiegende Quelle der Vergebungsgnade.

Für mich zeigt das heutige Wort, wie barmherzig und geduldig Gott und Jesus sind. Auch wenn sie unser untreues, rebellisches, halsstarriges Herz genau kennen, bleibt ihre Liebe und Mühe für uns unverändert. Sogar aus Bösem kann der HERR Gutes für andere kommen lassen. Wir sehen aber auch, wie nötig es ist, Jesus als den Eckstein des eigenen Lebens anzunehmen. Möge der HERR durch seine Liebe und seinen Heiligen Geist reichlich in und unter uns wirken. Möge er uns als grossen Segen und als wunderbare Freudebot:innen des Evangeliums aufstellen für ganz viele Menschen. In unserem Berufs- und Lernumfeld, an der Uni Bern, in diesem Land und auf der ganzen Welt.

Lesen wir zum Schluss nochmals zusammen den Leitvers, Vers 17: «Er aber sah sie an und sprach: Was bedeutet dann das, was geschrieben steht: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der ist zum Eckstein geworden«?»