Lukas 23,1-56
Guten Morgen! Es ist ein Segen und eine grosse Freude, dass wir wieder alle beisammen sind! Heute geht es um ein reichhaltiges, anspruchsvolles Wort, Lukas 23. Um das Verhör, die Gefangennahme und die Kreuzigung Jesu. Wir sehen dort einige Menschen, die je anders auf Jesus und sein «Schicksal» reagiert haben. Vermutlich gibt es sogar unter uns, die wir hier zusammen sind, bei jedem / jeder von uns ein bisschen unterschiedliche Haltungen gegenüber Jesus. Wichtig ist es, dass wir, genau so wie wir sind, zu ihm kommen, uns von seiner Liebe ein- und mitnehmen lassen und das Hören des Wortes dazu nutzen, dass Jesus unser Herz für ihn öffnen und uns grosse Freude an ihmschenken kann. Ja, bei Jesus finden wir unfassbar grosse Liebe und Gnade. Auch noch in der allerschlimmsten Lage hatte er nur uns – dich, mich – im Herzen und vor seinen Augen. Er kann den übelsten Sündern vergeben und tut dies mit einer Freude und Bereitwilligkeit, die uns immer wieder staunen lassen. Er sagt für Solche, lesen wir gemeinsam den Titel meiner Botschaft: «Vater, vergib ihnen!» Und lesen wir zusammen den Leitvers, Vers 34a.
Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!
Lukas 23,34a
Wahre Vergebungsgnade ist nicht leicht zu fassen. Sie klingt aber immer wieder an durch Menschen, die in die Fussstapfen Jesu, dem All-Barmherzigen, getreten sind. Als Eingangsgeschichte möchte ich euch eine Begebenheit zu solcher Vergebung erzählen; ich habe sie aus dem Internet. Der Priester Klemens Maria Hofbauer wurde der Apostel Wiens genannt. Für seine Stadt tat er alles. Selbstlos bettelte er sich das Geld zusammen, das er für die Notleidenden brauchte. Eines Abends ging er wieder in eine Gaststätte. Tisch für Tisch sprach er die Gäste freundlich an und bat um eine kleine Gabe für die Armen. Dabei geriet er an einen groben Menschen, der alles hasste, was mit der Kirche zu tun hatte. Der schrie ihn an: «Wie kommen Sie dazu, mich um Geld zu bitten?» Und er spuckte dem Priester verächtlich ins Gesicht. Der zog ruhig sein Taschentuch heraus, wischte sich das Gesicht sauber und wandte sich dann ganz freundlich noch einmal an den Mann: «Das war für mich. Aber nun geben Sie mir doch bitte noch etwas für die Armen!» Dabei hielt er ihm erneut den Hut hin. Der Gast soll von dem Priester so beeindruckt gewesen sein, dass er ihm den ganzen Inhalt seiner Geldbörse in den Hut schüttete…
Dieser Priester hat das Herz eines harten Mannes bewegt, indem er Liebe statt Vergeltung gelebt hat. Dies lässt die Kraft ein kleines Bisschen erahnen, die Jesu Gnadentaten haben, mit denen er Herzen erobert und Menschen lehrt, wie sie Böses mit Gutem überwinden können. Jesus hätte allen Grund dazu gehabt, seine vielen Feinde und seine unverständigen Mitmenschen zu verurteilen. Aber er verzichtete darauf. Denn er wusste stets, was auf dem Spiel stand: nichts weniger als die Errettung aller Menschen, die an ihn glauben! Zu allen Zeiten, in allen Ländern, unter sämtlichen Umständen.
Teil 1: Jesus vor Pilatus und Herodes (Verse 1-25)
Jesus war bereits vom Hohen Rat, der jüdisch-religiösen Instanz in Jerusalem, verhört worden. Dort hatte er auf die Frage der Ratsmitglieder, ob er der Sohn Gottes sei, wahrheitsgemäss geantwortet: «Ihr sagt es, ich bin es.» Jesus scheute nie zurück, die Wahrheit zu sagen, selbst wenn es ihm das Leben kosten sollte – was schlussendlich dann auch der Fall war. Denn nun führte man ihn vor eine politische Instanz. Dies deshalb: Erstens konnten nur die Römer, die damals die Besatzungsmacht waren, Todesurteile vollstrecken. Zweitens hatten Jesu Neider, die geistlichen Oberen, auch politische Argumente gefunden, mit denen man versuchen konnte, ein Todesurteil gegen Jesus zu erwirken. Also brachte man Jesus zum Statthalter Pontius Pilatus. Möglichst überzeugend brachten die Oberen ihre Anklagepunkte bei Pilatus vor: «Wir haben gefunden, dass dieser unser Volk aufhetzt und verbietet, dem Kaiser Steuern zu geben, und spricht, er sei Christus, ein König.» Diese Art des Urteilens erinnert eindrücklich an die moderne Politpropaganda mächtiger Leute, die ihre Macht behalten und Zwietracht im Volk säen möchten. Man nimmt dazu eine wahre Tatsache, verwebt sie geschickt mit Lügen und versucht mit der Argumentation Emotionen wie Empörung oder Angst zu schüren. In diesem Fall wollten die geistlichen Oberen Jesus als Aufrührer darstellen, der das Volk mit seinen Lehren aufwiegelte. An ihren Aussagen stimmt, dass Jesus sich als König der Juden bezeichnet hatte. Aber die anderen Dinge stimmten nicht. Jesus war ein friedlicher Mensch und kein Aufrührer. Und er hatte nichts dagegen, dass man dem Kaiser Steuern zahlte, im Gegenteil: Er hatte gesagt, man solle dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist. Pilatus durchschaute die geistlichen Oberen, dass sie Jesus aus Neid überführt hatten. Er selber war felsenfest davon überzeugt, dass Jesus unschuldig war. In einem persönlichen Gespräch hatte Pilatus mit Jesus geredet und von ihm erfahren, was für ein König er ist. Einer, dessen Reich nicht von dieser Welt ist und der für die Wahrheit steht. Öffentlich fragte er ihn nur, im Rahmen des Verhörs: «Bist du der Juden König?» Jesus antwortete: «Du sagst es.» Langsam begann der Statthalter zu ahnen, dass sich das Dilemma seines Lebens anbahnte. Würde er Jesus freisprechen, würde er nach dem Recht und nach seiner persönlichen Sympathie handeln. Aber dann würde er den Zorn der jüdischen Oberen auf sich ziehen. Um dem zu entgehen, wollte er seine Verantwortung abschieben. So erkundigte sich Pilatus, im Gebiet von welchem Lokalherrscher Jesus lebte. Jesus war aus Galiläa, also war Herodes Agrippa dieser Herrscher. Als Pilatus das erfuhr, sandte Jesus zu ihm. Zuerst schien die Sache für Herodes ein richtiger Glücksgriff zu sein. Endlich hatte er Jesus vor sich! Er hatte sich eine Menge Fragen ausgedacht, die er ihm stellen wollte. Was war aber sein primäres Interesse an Jesus? Nicht etwa, sein Wort zu hören und so fürs Leben zu lernen. Sondern ein Zeichen von ihm zu sehen. Als wäre Jesus ein Zauberer oder eine andere Art von Wundertäter, und nicht Gottes Sohn. Als nun Herodes Jesus befragte, antwortete ihm der Christus kein einziges Wort. An dem, wie Herodes darauf reagieren würde, sollte sich seine Herzenshaltung gegenüber Jesus zeigen. Was denkt ihr, wie hätte Herodes auf Jesu Schweigen reagiert, wenn er sich wirklich für ihn als Person interessiert hätte? Er wäre erschüttert gewesen, schmerzerfüllt. Er hätte Jesus innig um eine Antwort gebeten und wohl auch Busse getan für seinen bisherigen Lebenswandel. Aber Herodes’ Herz war hart. Ich persönlich denke, dass Jesus ihm von Anfang an jede Frage beantwortet hätte, hätte der Herrscher diese aus reinerMotivation gestellt. Stattdessen reagierte Herodes wütend, er und seine Leute. Wie in den Versen 10 und 11 steht: «Die Hohenpriester aber und die Schriftgelehrten standen dabei und verklagten ihn hart.Aber Herodes mit seinen Soldaten verachtete und verspottete ihn, legte ihm ein weisses Gewand an und sandte ihn zurück zu Pilatus.» Wie reagieren wir, wenn sich Gott scheinbar vor uns verbirgt: Beten wir trotzdem und suchen umso mehr seine Nähe, oder wenden wir uns wütend von ihm ab?Keine Angst, wir hier sind keine ‘Agrippas’: Wir können uns auch mal, in momentaner Enttäuschung, vom HERRN weg und hin zu Alltäglichkeiten oder sogar Sünden wenden. Aber Jesus bewahrt uns vor dem Abfall und hält unsere Herzen potenziell immer offen für ihn.
Herodes schickte Jesus so bald wie möglich wieder zu Pilatus zurück. Er wollte nichts mehr mit ihm zu tun haben. Damit spielte er den Ball wieder dem Statthalter zu. Das Dilemma seines Lebens, es ging in die nächste Runde! Pilatus rief die Hohenpriester, die Oberen und das Volk zusammen und begann mit seinem Plädoyer für Jesu Unschuld. Lesen wir zusammen die Verse 14 und 15: «und sprach zu ihnen: Ihr habt diesen Menschen zu mir gebracht als einen, der das Volk aufwiegelt; und siehe, ich habe ihn vor euch verhört und habe an diesem Menschen keine Schuld gefunden, deretwegen ihr ihn anklagt; Herodes auch nicht, denn er hat ihn uns zurückgesandt. Und siehe, er hat nichts getan, was den Tod verdient.» Er hörte das Murren der Angesprochenen, noch bevor er seine Rede zu Ende gebracht hatte. Um die Menge vielleicht doch noch besänftigen und Jesus freibekommen zu können, schlug er einen Kompromiss vor: Er wollte Jesus züchtigen, also geisseln, lassen, und dann losgeben. Doch das genügte der bereits aufgebrachten Menge nicht, und sie schrie durcheinander: «Hinweg mit diesem! Gib uns Barabbas los!» Damals war es Brauch, jedes Jahr zum Passafest einen Gefangenen zu begnadigen. Zur Wahl standen in diesem Fall Jesus Christus und Barabbas. Letzterer war wegen eines Aufruhrs und eines Mordes ins Gefängnis geworfen worden. Dass die Oberen nun Barabbas freigeben wollten, zeigt ihre Doppelmoral: Einerseits bezichtigten sie Jesus des Aufruhrs und gebrauchten dies als Argument für eine allfällige Todesstrafe. Andererseits wollten sie mit Barabbas einen Aufrührer freigeben! Pilatus ging auf die Sache nicht ein, sondern nahm einen neuen Anlauf, um Jesu Unschuld darzulegen. Bald darauf wurde er aber von wütenden Stimmen übertönt, die schrien: «Kreuzige, kreuzige ihn!» Sie forderten also die Höchststrafe, die schlimmste denkbare Todesstrafe für Jesus. Dabei ahnten sie nicht, dass sie damit begannen, den Weg für die Erfüllung von Gottes Verheissung freizumachen: Jesus sollte erhöht werden, aufgerichtet am Kreuz. Wie er etwa in Johannes 3,14-15 sagt: «Und wie Mose in der Wüste die Schlange erhöht hat, so muss der Menschensohn erhöht werden, auf dass alle, die an ihn glauben, das ewige Leben haben.» Ja, Gott kann wirklich alle Umstände und auch gottlose Personen dazu gebrauchen, dass sich sein Wille erfüllt! – Noch aber versuchte Pontius Pilatus weiter, die Menge zu überzeugen, und sprach: «Was hat denn dieser Böses getan? Ich habe keine Schuld an ihm gefunden, die den Tod verdient; darum will ich ihn züchtigen lassen und losgeben.» Bis dahin hatte der Statthalter grossen Mut und Treue gegenüber dem Gesetz und gegenüber Jesus bewiesen. Doch seine Lage wurde zunehmend brenzlig. Die Menge setzte ihm zu mit grossem Geschrei und forderte, dass Jesus gekreuzigt würde. Und ihr Geschrei nahm überhand. Manchmal kommt es vor, dass auch bei uns ein Geschrei überhandnimmt. Seien es Widerworte gegen Gott, Jesus und seine lebengebende Lehre, die man uns um die Ohren wirft, bis uns total schwindelig ist. Oder, noch schlimmer: innere Stimmen und Emotionen, die uns etwas ganz anderes raten als das, was Gottes Wille ist. Das kann eine Versuchung sein, die uns an die Grenzen unseres Widerstandes bringt. Oder negative Gedanken, die eine Welt der Finsternis in und um uns weben. Geben wir dem nicht nach, schauen wir auf zu Jesus, ins Licht, in die wundervolle Nähe Gottes! Und sollten wir solchem Geschrei nachgegeben haben, besinnen wir uns zurück auf den HERRN, sobald uns das wieder möglich ist, und kommen mit bussfertigem Herzen zu ihm. Denn so treffen wir keine falschen Entscheidungen, die weitergehende Folgen für uns bzw. unser Glaubensleben haben könnten. Pilatus gab dem Geschrei der Menge allerdings nach. Lesen wir gemeinsam die Verse 24 und 25: «Und Pilatus urteilte, dass ihre Bitte erfüllt würde, und liess den los, der wegen Aufruhr und Mord ins Gefängnis geworfen war, um welchen sie baten; aber Jesus übergab er ihrem Willen.» Der Statthalter war nicht bereit, in letzter Konsequenz für Gerechtigkeit einzustehen. Er fürchtete um sein Amt und sein Ansehen und vermutlich auch um sein genuines Leben. Die aufgebrachte Meute hätte ihn in ihrer Wut buchstäblich zermalmen können. Und so tat er nach dem Willen dieser Menge, wissend, dass sie Unrecht hatte. Es war auf seine Entscheidung hin, dass man Jesus abführte, zur Kreuzigung. Über den absolut Unschuldigen sprach man die schlimmste Strafe aus. Und Jesus nahm diese Höchststrafe an. Für uns. Als Preis für unsere Sünden!
Teil 2: Jesu Kreuzigung (Verse 26–56)
Als Jesus seinen schmachvollen Gang zur Kreuzigungsstätte antrat, war er wegen der ganzen Folterungen und Qualen zu schwach, um den Stamm seines Kreuzes selber zu tragen. Mehrfach klappte er unter dem Gewicht des Kreuzes zusammen – die Stellen, an denen dies geschah, sind noch heute markiert in der Via Dolorosa, dem Weg, den Jesus gegangen ist. Es blieb den Zuständigen für Jesu Hinrichtung nur eines übrig: Sie brauchten jemanden, der für Jesus das Kreuz trug. Zufällig ergriffen sie jemanden, der gerade von seiner Feldarbeit kam: Simon von Kyrene. Die Arbeit, einem zum Tode Verurteilten den Kreuzbalken zu tragen, ist eine, die man sich zuallerletzt wünscht: Man trägt die Schande des Gekreuzigten mit, das Kreuz ist schwer und in Jesu Fall war es zudem von Blut und Schweiss verschmiert. Aber auf diese Weise erlebte Simon von Kyrene Jesu Schicksal hautnah. Er konnte sein Leiden direkt mitbekommen, aber auch seine Worte der Liebe hören. Er beteiligte sich durch das Tragen des Kreuzes buchstäblich an Jesu Leiden. Wer am Leiden Christi teilnimmt, den oder die schweisst das näher mit Jesus zusammen und bewirkt einen Glauben mit viel mehr Liebe, Tiefe und Reife. So ging es auch Simon von Kyrene, der durch dieses Erlebnis mit dem Kreuz-Tragen zum Glauben an Jesus fand, zusammen mit seiner Familie! Es gibt ein deutsches Sprichwort, das sagt:Manchmal muss man Menschen zu ihrem Glück zwingen. Bei Simon war das definitiv so. Zwar ist der HERR so liebevoll und geduldig, dass er niemanden zu etwas zwingt. Aber doch kann er Situationen, in welchen es Zwang durch Menschen gibt, dazu gebrauchen, dass Menschen zu ihm finden! – Nicht von äusserem Zwang, aber von einem gefangennehmenden Schmerz gebeutelt, waren die anderen Menschen, die Jesus auf dem Kreuzweg folgten. Das waren Leute aus dem einfachen Volk, besonders auch Frauen; diese klagten und beweinten ihn. Die Antwort, die Jesus ihnen gab, war erstaunlich. Lesen wir zusammen die Verse 28 bis 31: «Jesus aber wandte sich um zu ihnen und sprach: Ihr Töchter von Jerusalem, weint nicht über mich, sondern weint über euch selbst und über eure Kinder.Denn siehe, es wird die Zeit kommen, in der man sagen wird: Selig sind die Unfruchtbaren und die Leiber, die nicht geboren haben, und die Brüste, die nicht genährt haben! Dann werden sie anfangen zu sagen zu den Bergen: Fallt über uns!, und zu den Hügeln: Bedeckt uns! Denn wenn man das tut am grünen Holz, was wird am dürren werden?» Das spielt auf Gottes Gericht über Jerusalem an. Dieses wurde Tatsache um das Jahr 70, als die Römer unter Titus, dem Sohn des Kaisers Nero, Jerusalem belagerten, einnahmen und den Tempel der Stadt zerstörten. Aber Jesu Worte stehen auch für Gottes Gericht über uns Menschen. Wenn schon so Schlimmes mit Jesus, dem grünen, lebendigen, lebengebenden Holz geschehen ist, was wird erst mit den sündigen Menschenkindern, diesen dürren Hölzern, geschehen? Darum lohnt es sich, dass wir nicht auf das Geschehen um uns, sondern auf uns selber blicken. Und mit den Sünden, die wir bei uns entdecken, aufräumen, also Busse tun. Denn wenn wir Jesu Vergebung angenommen haben, sind wir rein und freigesprochen. Dann werden wir am Tag von Gottes Gericht, nach Jesu Wiederkommen, dem ewigen Tod entrinnen und mit Jesus ins Himmelreich genommen werden. – Auch wir haben die Neigung, wenn wir über Jesu Leiden und Tod hören, voller Mitleid zu denken: «Ach, der arme, arme Jesus!» Das ist im Grunde nicht falsch. Denn das heisst, dass seine Geschichte uns berührt. Aber wahre Freude gibt es uns, wenn wir uns bewusstwerden, mit welcher Bereitwilligkeit er all dieses Leiden und seinen grausamen Tod auf sich genommen hat! Er war zu keinem Zeitpunkt Spielball der Mächte und Menschen, sondern er ist Gottes Sohn. Er hat in vollem Bewusstsein deine, meine Sünde getragen bis zum bitteren Ende. Niemand kann das ganze Ausmass dieser seiner Liebe begreifen. Aber wir können uns durch diese freiwillige, leidensbereite Liebe berühren lassen. Wir haben einen wunderbaren Erlöser, der uns ganzherzig liebt und der für unsere Errettung bis zum Äussersten gegangen ist!
Dass Jesus stellvertretend für alle Sünder, auch die schlimmsten, das Urteil auf sich nahm, zeigt sich auch durch den Ort, an welchem er gekreuzigt wurde. Zwei Übeltäter wurden mit ihm hingerichtet, einer links, einer rechts von Jesus. Was bedeutet, dass Jesus seinen Platz als der Schlimmste der Verbrecher einnahm. Als Jesus am Kreuz hing, betete er mächtige Worte. Er befahl seinen Geist ganz seinem himmlischen Vater an. Er triumphierte, weil Gottes Erlösungswerk vollbracht war. Und er sprach die wundervollen, noch in die heutige Zeit hinein klingenden Worte der Vergebung; lesen wir zusammen den Vers 34a: «Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!»Jesu Mörder, Folterer und Richter dachten, sie wüssten sehr wohl, was sie taten. Doch Jesus sah ihre geistliche Blindheit und war, auch im Moment des schlimmsten Leidens, absolut bereit, ihnen zu vergeben. Es gibt nichts, was Jesu heiliger Gnade entgehen kann, keine noch so grosse Sünde ist grösser als seine Liebe zu uns Sündern! Beten wir und bemühen wir uns darum, Jesu vergebendes, liebendes Herz für unsere Mitmenschen zu bekommen. Es ist möglich, wie uns verschiedene Beispiele zeigen. Allen voran Stephanus in Apostelgeschichte 7; ich lese dort die Verse 59 und 60 vor: «und sie steinigten Stephanus; der rief den HERRN an und sprach: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf! Er fiel auf die Knie und schrie laut: HERR, rechne ihnen diese Sünde nicht an! Und als er das gesagt hatte, verschied er.» Jesu vergebende Liebe galt Mördern. Aber sie gilt auch uns einfachen Sündern. Innig leistet Jesus noch heute für uns Sünder Fürbitte. Und spricht: «Vater, vergib Marianne, denn sie weissnicht, was sie tut!» An die Stelle meines Namens kann man euren Namen setzen. Aber auch den Namen von Menschen in unserem Umfeld, die Jesus ablehnen. Oder sogar von Leuten, die wirklichganz viel Böses tun. Schaffen wir es, keinen Hass auf solche Menschen zu hegen?
Jesu verzeihende Liebe ist wahrlich unbestechlich, reichhaltig, im Überfluss vorhanden. Ich selber habe Jesu Vergebungsnade schon vielfältig erlebt. Beispielsweise betete ich an der Neujahreskonferenz 2015 in Interlaken eines Morgens in der Frühgebetsstunde. Dort lud ich alle meine eigenen Gedanken und Gefühle ab und füllte mein Herz mit dem, was der HERR mir an Worten und Orientierung gab. Da strömte eine wunderbare Freude in mein Herz, die sich so echt anfühlte, dass ich ab dann beschloss, immer wieder mein Herz vom HERRN füllen zu lassen. Eine andere Weise, wie mir der HERR Vergebung zusichert, ist, dass er mich trotz meiner Sünden weiterhin für sein Werk gebraucht. Vor einigen Jahren hatte ich einmal einen Konflikt mit anderen Menschen in meinem Haus, den ich durch die Wände hindurch austrug. Dabei strapazierte ich meine Stimme, weil ich laut rief und schrie, sodass ich danach ganz heiser war. Dann kam die Stunde, in der ich damals üblicherweise zum Einladungswerk an die Uni ging. Sollte ich mit meiner angeschlagenen Stimme wirklich Studierende ansprechen? Ein Gebet ermutigte mich dazu. Ich zog es durch und sprach einige Studis an. Dabei traf ich zudem auf einen guten Bekannten, mit dem ich ein sehr schönes Gespräch hatte. Noch eine andere Weise, Jesu Vergebung zu erfahren, ist für mich, indem ich anderen innerlich vergebe. Neulich ärgerte ich mich über die Politik in den USA, und Wut auf den Präsidenten Donald Trump wallte in mir auf. Doch in einem einigermassen tiefgehenden Gebet betete ich nicht nur für die USA, sondern schliesslich auch für Donald Trump. Da empfand ich Mitleid, fast schon Zuneigung, gegenüber diesem mächtigen, aber verlorenen Mann…
Zurück zur Szenerie mit Jesus am Kreuz. Um ihn gab es viele Menschen, die je verschieden über das Geschehen dachten, fühlten und urteilten. Da waren die Soldaten, die Jesu Kleider nahmen, diese untereinander aufteilten und das Los um seinen Mantel warfen. Unwissentlich erfüllten sie damit Jesu Voraussage durch Psalm 22,19. Wir sehen, wie hartherzig diese Männer waren. Über ihnen erleidet Jesus die schlimmsten Qualen und sie denken nur daran, sich ein Souvenir von diesem populären, umstrittenen Rabbi zu nehmen. Die Oberen des Volkes, zusammen mit den Soldaten, verspotteten Jesus. Sie sprachen: «Er hat andern geholfen; er helfe sich selber, ist er der Christus, der Auserwählte Gottes.» Und: «Bist du der Juden König, so hilf dir selber!» Das Volk dagegen nahm eine passive Rolle bei der Sache ein. Es sah zu, wie man einem Schauspiel zusieht, und am Schluss schlugen sich die Leute an die Brust und kehrten um. Ganz so wie wir auf schlimme News reagieren: Wir merken auf, schreien innerlich, dann aber schütteln wir das Gehörte ab und gehen wieder unseren alltäglichen Beschäftigungen nach. – Dann war da Pontius Pilatus, der über dem Kreuz eine Aufschrift anbrachte, die besagte, dass Jesus der König der Juden ist; seine Todesursache. Damit beruhigte Pilatus sein Gewissen ein wenig, nachdem er Jesus zu Unrecht zur Kreuzigung überantwortet hatte. Dann waren da die zwei mit Jesus gekreuzigten Verbrecher. Einer von ihnen reagierte ganz wie die Soldaten und die geistlichen Oberen. Er war ein überzeugter konservativer Jude, der Jesus ablehnte, dabei den geistlichen Leitern folgend. Der rief Jesus zu, trotz seines zunehmend stockenden Atems: «Bist du nicht der Christus? Hilf dir selbst und uns!» Es ist eindrücklich, wie Menschen auch dann, wenn es ihnen gar nicht gut geht, ja noch kurz vor dem Tod, an Irrlehren und Irrglauben festhalten können. Jesus musste nun erleben, wie auch dieser Verbrecher ihn versuchte. Und in der Tat, es war angesichts der schrecklichen Qualen, die Jesus litt, eine fast unwiderstehliche Versuchung für ihn: Das Leiden beenden und dabei noch beweisen, dass er der Christus ist! Aber Jesus wusste, dass die Menschen, die jetzt über ihn spotteten, auch nicht an ihn glauben würden, wenn er vom Kreuz hinabsteigen würde. Was er jederzeit hätte tun können als Gottes Sohn. Ausserdem wusste Jesus immer, was auf dem Spiel stand, und was nur möglich war, wenn er seinen Weg bis zum Ende ging: die Erlösung potenziell aller Menschen, durch seinen stellvertretenden Tod! – Dagegen reagierten zwei Menschen, die Jesus wohl abgelehnt hatten, indem das Ende des Menschensohnes ihr Herz erweichte. Da war der Hauptmann, der am Schluss bekannte, dass Jesus ein Gerechter, ja, Gottes Sohn gewesen sein musste. Und da war der andere Verbrecher, der den ersten zurechtwies: «Fürchtest du nicht einmal Gott, der du doch in gleicher Verdammnis bist? Wir sind es zwar mit Recht, denn wir empfangen, was unsre Taten verdienen; dieser aber hat nichts Unrechtes getan.» Das waren echte Worte der Busse, die Jesus berührten! Lesen wir zusammen die Verse 42 und 43: «Und er sprach: Jesus, gedenke an mich, wenn du in dein Reich kommst! Und Jesus sprach zu ihm: Wahrlich, ich sage dir: Heute wirst du mit mir im Paradies sein.» Dieses Heute war ein Jetzt. In dem Moment, indem wir Busse tun, wendet sich Jesus uns zu und schenkt uns seine volle Vergebung. Diese erfahrene Gnade ist wahrlich paradiesisch. Die Seele der Gläubigen, auch dieses Verbrechers, sind bei Gott aufbewahrt für die Auferstehung zum ewigen Leben. Das Beispiel dieses Verbrechers zeigt uns auch: Es ist nie zu spät, um Busse zu tun, so lange wir leben!
Jesu Kreuzigung zog unfassbar mächtige Zeichen mit sich. Eine dreistündige Finsternis verwandelteden hellen Mittag in eine Szenerie schwerer übernatürlicher Dämmerung. Dann zerriss der Vorhang im Tempel, ein sehr schwerer Stoff, mitten entzwei. Von oben nach unten. Eindeutig: Gott hat auf seine Initiative hin, mit Jesu Tod, den Weg aller Menschen zu ihm frei gemacht! Wir können in das Allerheiligste seiner Gegenwart eintreten, weil wir den Christus haben. – Erst nach Jesu Tod begann sich die Situation allmählich wieder zu normalisieren. Und doch war nichts mehr wie zuvor, als Jesusgestorben war. Seine Bekannten, die aus sicherer Entfernung zugesehen hatten, trugen grossen Schmerz und wussten nicht, wie mit der Situation umgehen. Die Frauen, die Jesus aus Galiläa gefolgt waren, blieben bei Jesus bis zu dessen Begräbnis und kehrten dann heim, um wohlriechende Salben und Öle zu bereiten. So wollten sie ihrem geliebten Jesus die letzte Ehre erweisen. Bevor sie dies taten, ruhten sie den Sabbat über, der mit der Abenddämmerung anbrach, nach dem Gesetz. Denn, wie Jesus auch, standen sie nicht über dem Gesetz, sondern lebten in Übereinstimmung mit diesem. Jesus ist nicht gekommen, um das Gesetz aufzuheben, sondern um es zu vollenden. Er lebte es ganz im Sinne der Liebe, so, wie es gemeint ist. Mit dem Sonnenuntergang, der nahte, begann der Sabbat. Bis dann durften keine Leichname mehr draussen sein, also auch nicht die drei Gekreuzigten. Da Jesus den Status eines verschmähten Verbrechers hatte, hätte man ihn einfach in einem anonymen Massengrab verscharrt. Aber es gab einen heimlichen Jünger Jesu, der nun Mut fasste und dem Christus ein würdiges Begräbnis geben wollte – koste es, was es wolle. Das war Josef von Arimathäa, einer, der auch an Jesu Reich glaubte, ein Mitglied des Hohen Rates, ein angesehener Jude. Der riskierte nun seinen Ruf und sogar potenziell sein Leben, indem er Pilatus um den Leib Jesu bat. Gott fügte es, dass der Statthalter der Bitte des Josef entsprach. Jesu Leichnam wurde in Josefs eigenes Felsengrab gelegt. So sahen die Frauen, wo ihr toter Rabbi war. Und hatten einen Ort zum Trauern. Und einen, an dem sie die ersten Zeuginnen von Jesu Auferstehung sein würden!
Möge uns der HERR ein offenes Herz für Jesus geben und den Wunsch, hautnah an seinem Leiden teilzunehmen. Möge Jesus uns berühren, ja, unser Herz ganz überfluten mit seiner immens grossen Liebe und seiner unfassbar reichen Gnade. Lasst uns jede:r persönlich seine Stimme hören, in allen Sünden, in Gottesferne: «Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!» Hören wir Jesu liebende Worte, hören wir seinen Aufruf, einfach wieder zu ihm zu kommen. Er wird uns annehmen, als wären wir keine Sekunde weg von ihm gewesen.
Lesen wir zum Schluss nochmals zusammen den Leitvers 34a: «Jesus aber sprach: Vater, vergib ihnen; denn sie wissen nicht, was sie tun!»