Johannes 1,35-51
Guten Morgen! Heute ist ein wunderschöner Tag. Warum? Weil es wunderschönes Frühlingswetter ist. Aber nicht nur. Sondern auch, weil wir uns auch heute, ungeachtet der Umstände, zum Gottesdienst treffen können. Weil wir uns auch heute wieder mit einem gnädigen, wunderbaren Wort Gottes beschäftigen dürfen. Weil wir wissen, dass Gottes Schafe, die heute nicht hier sind, doch in der Hand des HERRN sind, der in ihrem Herzen allmählich wirkt. Und weil genau am heutigen Tag weltweit wieder viele Menschen zu Jesus finden. Denn Gottes Werk geht auch in der Pandemie ungehindert weiter. Es ist Gottes grösster Wunsch, dass möglichst viele Menschen zu ihm und zu seinem Sohn finden. Dass sie auch sagen können; lesen wir zusammen den Titel meiner Botschaft: «Wir haben den Messias gefunden.» Ob sie nun durch andere Menschen von ihm gehört haben oder ihm persönlich begegnet sind. Lesen wir gemeinsam den heutigen Leitvers, Vers 41:
Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heißt übersetzt: der Gesalbte.
Johannes 1,41
Auch die heutige Botschaft beginne ich mit einer Geschichte. Diese geht darum, dass die Dinge nicht immer so scheinen, wie sie sind. Dass sich ein Blick unter die Oberfläche lohnt. Unser Urteil entspricht nicht immer der Wahrheit. Das werden wir heute auch bei dem Jünger Nathanael sehen.
Es waren einmal drei Freunde: Jan, Sven und Marco. Die erlebten gerne verschiedene Dinge zusammen. Sie waren, zugegebenermassen, ein bisschen oberflächlich und sahen auf das, was gerade um sie war. Bis drei Erlebnisse dies ein bisschen änderten. An einem Tag gingen alle drei zu einer Tombola. Sie kauften so lange Lose, bis sie alle etwas gewonnen hatten. Jan freute sich über eine zwar nicht teure, aber umso schönere Armbanduhr. Sven gewann ein Schmuckset, worüber er happy war, weil er damit das perfekte Geburtstagsgeschenk für seine Nichte hatte. Marco dagegen gewann nur einen Eierschneider. Jan und Sven belächelten ihn zuerst, als er sich dennoch darüber freute. Dann sahen sie, dass in die Packung des Eierschneiders ein ungeöffnetes Los gefallen war. Marco öffnete dieses: Es gewann einen der Hauptpreise, zwei Wochen Ferien in der Karibik! Das zweite Erlebnis war, als die drei Freunde einmal in einer trockenen Gegend, nahe an der Wüste, zelten gingen. Es war klar, dass sie ihr Zelt im Schutz von Felsen aufstellen mussten, wegen des Windes. Während Jan und Sven sich schmucke Eckchen mit Sicht auf blühende Kakteen aussuchten, begnügte sich Marco mit dem Zeltplatz im Schatten eines hässlichen grauen Felsens. Als er abends nochmals aus dem Zelt ging, sah er an «seinem» Felsen einen Hinweis – auf einen Brunnen in der Nähe! Und in diesem war tatsächlich Wasser zu finden. Wieder war Marco, der vermeintliche Pechvogel, der Glückspilz unter den Dreien. Das dritte Erlebnis war, als die drei Freunde an einen Fluss in den Bergen Gold schürfen gingen. Es war ein wenig besuchtes Gebiet. Jan und Sven hatten bald einmal Erfolg und fischten ein paar kleine Goldbrocken. Marco dagegen ging zunächst fast leer aus. Dann fand sich in seinem Sieb eine Tonscherbe. Seine zwei Freunde wunderten sich, warum er die mitnahm. Schon am nächsten Tag brachte Marco die Scherbe zu einem Archäologen. Marcos Vermutung war richtig gewesen: Die Scherbe gehörte zu einer antiken Vase! Das weckte das Interesse der Forscher. Und so war es indirekt Marco zu verdanken, dass man in dem Gebiet Überreste einer bis dahin noch nicht entdeckten Römersiedlung fand…
Unter der Oberfläche sind Schätze versteckt. Das gilt nicht nur für materielle Dinge, sondern auch für Gottes Wort. Für ein Leben mit Jesus, in dem wir von ihm lernen. Manchmal braucht es einen Perspektivenwechsel: weg von uns selbst, hin zum HERRN. Je mehr wir auf diesen schauen, je mehr wir mit ihm Gemeinschaft haben, je mehr wir uns mit seinem Wort befassen, desto besser lernen wir den HERRN kennen. Aber wie kommt man überhaupt zu einem solchen Leben? Weil man einfach in eine christliche Gemeinschaft hineingeboren wird? Nein, sondern weil man etwas bei Gott und Jesus findet, das man sonst nirgends haben kann. Neugierig auf ein Wort, auf Jesu Lebensstil, auf Gottes Botschaft wird. Und so die persönliche Beziehung mit Gott und Jesus findet. So wie jedes Glaubensleben individuell ist, ist auch die Initialzündung zu einem solchen Leben bei jedem Menschen unterschiedlich…
Teil 1: Kommt und seht! (Verse 35-42)
Im heutigen Text geht es um die Berufung der ersten Jünger Jesu. Wir wissen aus anderen Bibeltexten, dass Jesus selber die Jünger berief. Das waren zwölf ganz normale Männer. Sie hatten nichts zu bieten ausser Interesse an Jesus. In diesem Text sehen wir, dass Jesus die Berufung aber nicht im Alleingang vollzogen hat. Das wäre ihm durchaus möglich gewesen. Stattdessen aber setzte er auch Menschen ein, um einen Teil seiner Jünger zu ihm zu bringen. So ist der HERR. Er wirkt weltweit für sein Erlösungswerk. Es wäre für ihn, den Allmächtigen, ein Leichtes, alles von diesem Werk selber zu machen. Aber er möchte uns, die wir nach ihm fragen, an diesem Werk beteiligen. Das ist seine grosse, unglaubliche Wertschätzung für uns. Wir hätten sie nicht verdient, aber erkennen darin doch Gottes unfassbare Liebe zu uns. Gottes Werk setzt sich in der ganzen Welt fort. Auf vielfältige Weise finden Menschen zu ihm.
Die ersten beiden der zwölf Jünger Jesu kamen durch seinen damals wichtigsten Zeugen zu ihm, durch Johannes den Täufer. Lesen wir zusammen die Verse 35 und 36: «Am nächsten Tag stand Johannes abermals da und zwei seiner Jünger; und als er Jesus vorübergehen sah, sprach er: Siehe, das ist Gottes Lamm!» Wir erinnern uns: So hatte Johannes der Täufer schon einmal über Jesus gesprochen: «Siehe, das ist Gottes Lamm, das der Welt Sünden trägt!» Das war sein persönliches Bekenntnis zu Jesus. Er hatte Jesus getauft und mit ihm geredet. Er hatte den Heiligen Geist in sichtbarer Gestalt auf Jesus kommen sehen. Und Gott sagen hören, dass dieser, Jesus, sein ihm wohlgefallender Sohn sei. In seiner Zeit in der Wüste, wenn er nicht gerade Menschen taufte, musste Johannes viel über Jesus nachgedacht haben, wer er denn ist. Sicher forschte er auch in der Heiligen Schrift über ihn, was diese sagte über den Messias, der kommen sollte. Und Jesus ist dieser Messias; der war nun endlich gekommen. Von all dem, was der Täufer über Jesus erfahren hatte, blieb vor allem dies in seinem Herzen: Jesus war da, um sich für die Erlösung der Menschen aus ihren Sünden hinzugeben. Er würde am Kreuz sein Blut vergiessen und sein Körper würde zerstört werden. So wie damals die Opferlämmer, die bei der Schlachtung ziemlich übel zugerichtet wurden. Ihr Blut und ihr Fett wurden ausgenommen beziehungsweise ausgegossen. Dieses Bild eines Lammes hatte Johannes vor sich, wenn er an Jesus dachte, wie es ihm ergehen sollte am Ende seines Weges als Mensch auf der Erde. Dabei spürte er die geballte Liebe und Gnade, die in dieser Opferung, dieser Aufopferung Jesu für uns steckte. Darum konnte er nicht anders: Er musste den Menschen um ihm sagen, dass Jesus Gottes Lamm ist.
Als er das diesmal sagte, waren zwei seiner Jünger bei ihm. Einer von ihnen war Andreas, der Bruder des Simon Petrus. Der andere Jünger ist nicht namentlich genannt. Man vermutet aber, dass es sich um Johannes, den Verfasser dieses Evangeliums, handelt. Der redet im ganzen Johannesevangelium nie mit Namen von sich, sondern nennt sich «der Jünger, den Jesus liebhatte». Denn auch er spürte überdeutlich, welche Liebe von Jesus ausging. Wie reagierten nun die beiden Jünger auf das Zeugnis des Täufers? Lesen wir gemeinsam den Vers 37: «Und die zwei Jünger hörten ihn reden und folgten Jesus nach.» Sie gingen von Johannes dem Täufer weg und hängten sich Jesus an. Johannes liess sie gerne gehen. Er wollte Jünger verlieren, wenn er sie an Jesus verlor. Er hängte sein Herz nicht an seine Jünger, noch hielt er sie fest, wenn sie gehen wollten. Dafür war er auch viel zu demütig. Sicher war Johannes in dem Moment richtig glücklich: Da fanden zwei zu Jesus! Der Täufer sah ja seine Aufgabe darin, andere Menschen zu Jesus zu bringen. Ihnen die Herzen für den Christus zu öffnen. Dass der HERR mit seiner Hilfe nun das Herz zweier seiner Schüler für Jesus geöffnet hatte, machte ihn zutiefst dankbar.
Wie viel damals die beiden Jünger schon von Jesus wussten bzw. erkannten, wissen wir nicht. Aber wir wissen, dass ihre Neugier geweckt war. Wer war dieser Mensch? Konnte es wirklich sein, dass sie nun den Messias, auf den Israel schon Jahrtausende gewartet hatte, nun höchstpersönlich vor ihnen hatten?! Noch hatten sie keine persönlichen Erfahrungen mit Jesus gemacht, kannten ihn nur vom Hörensagen. Sie waren aber durchaus bereit, nun welche zu machen. Und so ihre persönliche Beziehung zu ihm, ihren persönlichen Glauben zu bekommen. Lesen wir gemeinsam die Verse 38 und 39: «Jesus aber wandte sich um und sah sie nachfolgen und sprach zu ihnen: Was sucht ihr? Sie aber sprachen zu ihm: Rabbi – das heisst übersetzt: Meister –, wo ist deine Herberge? Er sprach zu ihnen: Kommt und seht! Sie kamen und sahen’s und blieben diesen Tag bei ihm. Es war aber um die zehnte Stunde.» Jesus bemerkte, dass da zwei vorher nicht dagewesene Menschen hinter ihm her gingen, wohl noch aus einiger Distanz, denn sie hatten grossen Respekt vor ihm. Wir dürfen gewiss sein: Jesus sieht jeden Menschen, der ihm nachfolgt, und will mit ihm die persönliche Beziehung aufbauen.
Jesus fragte die beiden Jünger: «Was sucht ihr?» Uns fragt das Jesus auch. Was suchen wir, wenn wir ihm nachfolgen? Wenn wir in der Bibel lesen, wenn wir beten, wenn wir zum Gottesdienst kommen? Jesus fragt nach unserer Motivation. Denken wir doch über diese nach. Meistens kommen wir zu ihm, weil wir ein Anliegen haben. Wenn wir Gottes Hilfe brauchen oder uns durch den HERRN einen Wunsch erfüllen lassen wollen. Sei das etwas Materielles oder aber Glück, inneren Frieden, Wissen über das Leben oder was es auch immer ist. Aber der HERR will, dass wir an ihm selber Interesse haben. Ihn suchen. Nicht etwas durch ihn bekommen wollen, sondern ihn selber gewinnen wollen. Daher verändert er unsere Motivation allmählich. Richtet unseren Blick weg von anderen Dingen und auf ihn selber. Das macht er, wenn wir nach ihm fragen, wenn wir dranbleiben, wenn wir geistlich wachsen wollen. Leider gibt es auch andere Beispiele von Menschen, die gar kein Interesse an Gott und Jesus selber haben, sondern den HERRN für ihre eigenen Zwecke instrumentalisieren wollen. Manche von ihnen gehören der Kirche an, weil sie als Geistliche Einfluss gewinnen wollen. Andere gehen in die Kirche, um ihr soziales Netzwerk zu pflegen und auszubauen. Wieder andere wollen einen guten Job und liegen Gott damit in den Ohren, ohne dabei an ihn selber zu denken. Sie fragen nie danach, was sich denn der HERR wünscht. Sie bleiben bei ihren weltlichen Bedürfnissen; geistliche solche haben sie nicht bzw. spüren sie nicht.
Da waren diese beiden Jünger vollkommen anders. Sie hatten Interesse an der Person Jesu. Sie wollten von ihm lernen. Sie ahnten schon, dass er der Erlöser ist, der auch sie aus ihren Sünden befreien konnte. Bei ihm zu sein, war ihr Ziel. Darum fragten sie ihn nach seiner Wohnung. Und er lud sie ein, mitzukommen. «Kommt und seht es!» So lädt uns auch Jesus ein. «Kommt, seht meine Werke, seht mein Leben. Lernt von mir!»
Andreas war, je länger er bei Jesus blieb, desto faszinierter von ihm. Von Stunde zu Stunde musste er mehr erkannt haben, dass er da tatsächlich den Christus vor sich hatte. Da konnte er nicht anders als das weiterzuerzählen. Das war zunächst mal seiner Familie bzw. seinem Bruder, mit dem er eine gute Beziehung hatte. Lesen wir zusammen den Vers 41: «Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heisst übersetzt: der Gesalbte.» Auch er konnte ein persönliches Bekenntnis zu Jesus ablegen. Der ist der König der Welt, vom HERRN berufen bzw. gesalbt. Das war, was Andreas am meisten ansprach, in seinem Herzen ankerte. Da wurde sein Bruder Simon auch neugierig. Lesen wir gemeinsam den Vers 42: «Und er führte ihn zu Jesus. Als Jesus ihn sah, sprach er: Du bist Simon, der Sohn des Johannes; du sollst Kephas heissen, das heißt übersetzt: Fels.» Andreas führte Simon zu Jesus. Was hier in so schlichte Worte gefasst ist, ist von grosser Bedeutung. Da nimmt einer seinen Bruder mit zu Jesus. Da lädt eine oder einer von uns einen Studi zum Bibelstudium ein, der kommt und findet so zu Jesus. Da trägt jemand von uns ein Glaubenszeugnis vor, das eine Glaubensanfängerin dermassen berührt, dass sie mehr über Jesu Wirkung in uns erfahren will und so ihre ganz persönliche Jesus-Wirkungsgeschichte beginnt. Es gibt viele Wege, wie man zu Jesus kommt. In meinem Fall wurde ich von Maria ((auf sie deuten)) zum Bibelstudium eingeladen. Der HERR möge sie reichlich segnen. Beim ersten Mal lehnte ich ab, aber beim zweiten Mal sagte ich zu. Es brauchte viele Bibelstudiums-Sitzungen, bis ich dem HERRN allmählich mein Herz öffnete. Begann, sein Wort nicht nur zu studieren, sondern einzelne Worte davon umzusetzen. Was meinen Glauben so richtig boostete. Wenn ich anderen aus geistlicher Motivation helfe und dafür auch mal etwas gebe, das ich selber gerne gehabt hätte, schenkt mir das unerwartete Freude. Wenn ich herzliche Fürbitte für andere Menschen leiste, erahne ich Jesu Herz, das für diese Menschen schmerzt und brennt. Und wenn ich andere Menschen, mit denen ich über ein Bibelwort rede, das Wort sagen höre, macht mich das echt gerührt.
Schon in der ersten Minute bei Jesus erlebte Simon eine grosse Überraschung: Jesus änderte seinen Namen! Er gab ihm einen ganz neuen. Zwar war sein alter Name, Simon, auch ganz okay. Er kann als «der Erwählte» übersetzt werden, nach seiner hebräischen Bedeutung. Oder als «der Stupsnasige» nach seiner griechischen Bedeutung. Aber nun nannte ihn Jesus auf Aramäisch «Fels». Er wollte ihn zu einem der Grundpfeiler der Christengemeinde machen. Er sah ihn schon so, obwohl Simon noch ein Glaubensanfänger war. So ist der HERR: Er sieht in uns unser Potenzial, will unsere Fähigkeiten für sich gebrauchen. Wir sind noch lange nicht vollkommen im Glauben, aber der HERR sieht vor sich schon, wie wir einmal werden. Nämlich so, wie er uns haben will. Und bis wir dort sind, formt, führt, erzieht und trainiert er uns in seiner wunderbaren Liebe und Geduld.
Teil 2: Du wirst noch Grösseres sehen (Verse 43-51)
Seinen dritten Jünger berief Jesus direkt. Lesen wir gemeinsam den Vers 43: «Am nächsten Tag wollte Jesus nach Galiläa gehen und findet Philippus und spricht zu ihm: Folge mir nach!» Da kam Jesus höchstpersönlich vorbei und rief Philippus. Das muss bei dem Jünger wie ein Blitz eingeschlagen haben. Darum überlegte er sich das gar nicht und folgte Jesus nach. Und auch er sah, wie Jesus lebte, sodass ihm allmählich klar wurde, wen er hier vor sich hatte: Gottes Sohn. Bei ihm war es wieder etwas anderes, das ihn an Jesus besonders berührte: Er war der vorzeiten Verheissene, Jesus aus Nazareth, von dem die Heilige Schrift zeugte. Ja, das Alte Testament ist voll von Verheissungen über den Christus. Das war denn auch das, was er weitererzählte. Genauer seinem Freund Nathanael. Lesen wir zusammen den Vers 45: «Philippus findet Nathanael und spricht zu ihm: Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn, aus Nazareth.» Zunächst blieb Nathanael ziemlich unbeeindruckt von dieser Mitteilung. Er hörte nur den Namen Nazareth heraus. Sollte der Messias nicht aus Bethlehem kommen? Auch hatte der Mann Vorurteile gegenüber der Gegend im rückständigen, von Heiden mitbevölkerten Gebiet im Norden des Landes, in dem Nazareth lag. Der Ort selber war eine unbedeutende Kleinstadt, vermutlich eine Handwerkersiedlung. Dementsprechend fiel die Antwort des Freundes aus; lesen wir gemeinsam den Vers 46: «Und Nathanael sprach zu ihm: Was kann aus Nazareth Gutes kommen! Philippus spricht zu ihm: Komm und sieh es!» Zwar hinderte seine vorgefasste Meinung Nathanael daran, neugierig auf Jesus zu werden. Aber Philippus ignorierte seine Einwände und nahm ihn dennoch mit zu dem Christus. So ist es auch bei den Menschen, denen wir von Jesus erzählen: Wenn sie sich ihm gegenüber negativ äussern, heisst das nicht, dass wir den Christus vor ihnen möglichst nicht mehr erwähnen sollen. Wir können sie immer auf ihn hinweisen. Am effektivsten durch unser Leben, wenn wir Jesu Eigenschaften annehmen und vor ihnen zeigen. Das macht sie neugieriger auf Jesus, als wenn wir ihnen Bibelworte oder Lehren mitgeben. Kommt und seht. Glauben ist etwas Gelebtes, ist ein Entdecken, ist learning by doing.
Jesus hatte Nathanaels Einwand nicht gehört. Aber er wusste sehr wohl von seinen Vorurteilen. Doch er ging damit ganz anders um, als wir das würden. Lesen wir zusammen den Vers 47: «Jesus sah Nathanael kommen und sagt von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist.» Das war ein Hinweis auf Nathanaels ehrlichen Umgang mit seiner Meinung. Vermutlich wollte Nathanael immer aufrichtig und redlich sein, was er als entscheidenden Teil seiner Identität sah. Und Jesus sprach diesen Kern seines Wesens an. Das heisst, er sah ihm mitten ins Herz. Er kannte ihn vollkommen. Das war ein Schock für Nathanael, aber einer der sehr schönen Sorte. Er fragte nach: «Woher kennst du mich?» Das kann man auch so umschreiben als: «Wieso weisst du das? Wie kann das sein, dass du mich so gut kennst?» Jesus antwortete ihm: «Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich.» Das heisst, Jesus hatte ihn schon gesehen, bevor Nathanael Jesus überhaupt bemerkt hatte. Jesus hat auch uns schon gesehen, als wir uns noch überhaupt nicht für ihn interessierten. Aber er wollte uns finden, von Anfang an. Daher suchte und fand er uns; darum sind wir nun bei ihm. Jesus sprach die Szene mit dem Feigenbaum an. Vermutlich hatte Nathanael dort über sich selber und seine Werte nachgedacht. Vielleicht war ihm auch ein Anflug von Sehnsucht nach etwas durch das Herz gegangen, das er erst nachher, bei Jesus, ausmachen konnte. Das war der Wunsch, seinem Heiland zu begegnen. Das waren diffuse geistliche Bedürfnisse, die sich nun in einem ganz konkreten Wunsch kristallisierten: diesem Jesus nachzufolgen. Er liebte Jesus, der ihn so annahm, wie er war. Der nicht seine Schwächen, Vorurteile, sondern seine Stärken, etwa die Ehrlichkeit, ansprach. Der ihn als das sah, was der Name Nathanael bedeutet, nämlich Geschenk Gottes. Das frappierte den Mann, sodass er ein ganz spontanes Bekenntnis ablegte. Lesen wir zusammen den Vers 49: «Nathanael antwortete ihm: Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel!» Das war noch kein so reflektiertes Bekenntnis, wie es einige Zeit später Simon Petrus ablegen sollte (Matthäus 15.16): «Er fragte sie: Wer sagt denn ihr, dass ich sei? Da antwortete Simon Petrus und sprach: Du bist Christus, des lebendigen Gottes Sohn!» Aber sein Spontanbekenntnis war für Nathanael der Beginn seines Weges als Jünger Jesu. Und dieser sollte sich dann ganz vielfältig und vielseitig gestalten, mit ganz viel Unerwartetem, mit Staunen. Und mit Abenteuern, bei denen er aber doch sicher und bewahrt an Jesu Seite sein sollte. Auf das künftige Leben als Jünger wies Jesus Nathanael hin; lesen wir gemeinsam den Vers 50: «Jesus antwortete und sprach zu ihm: Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Grösseres als das sehen.» Er sollte viele Zeichen und Wunder sehen, die Jesus tat. Und an vielen davon, zusammen mit den anderen Jüngern, auch beteiligt werden. Wenn wir beginnen, mit Gott zu leben bzw. Jesus nachzufolgen, haben wir gewisse Erwartungen. Diese werden um ein Vielfaches übertroffen werden. Denn wir können uns im Vorfeld nicht vorstellen, wie grossartig Gottes Führung ist, wie nahe uns der HERR sein kann und wie viel Liebe von ihm ausgeht. Es sind die grösseren und kleineren «Gott-Erlebnisse», die unseren Glauben vorwärtsbringen, neu beleben, festigen. Wir werden noch Grösseres sehen. Oder, wie ein UBF-Missionar früher einmal sagte: The best is yet to come. Etwas vom Besten ist das, was nun Jesus Nathanael und den anderen Jüngern auch sagte; lesen wir zusammen den Vers 51: «Und er spricht zu ihm: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Ihr werdet den Himmel offen sehen und die Engel Gottes hinauf- und herabfahren über dem Menschensohn.» Bei Jesus ist Herrlichkeit. Im Zusammenhang mit ihm sind anderen Menschen Engel erschienen, etwa Gabriel, der Christi Geburt ankündigte. Jakob, als er vor seinem Bruder Esau floh, hatte Jesu Präsenz in Bethel gespürt, indem er im Traum genau dies sah, von dem Jesus hier spricht: den Himmel offen und Engel, die auf einer Himmelsleiter hinauf und hinab stiegen. Auch die Jünger Jesu haben diese Art Herrlichkeit später gesehen, nämlich als Jesus vierzig Tage nach seiner Auferstehung in den Himmel auffuhr.
Jesus hat den Himmel für uns geöffnet. Denn er ist der Zugang zu Gott. Wegen unserer Sünde war dieser Zugang versperrt. Doch Jesus kam und gab sich für uns hin. Er opferte sich selber, gab sein Leben am Kreuz, um uns mit Gott, dem Vater, zu versöhnen. In dem Moment, als er starb, zerriss der Vorhang im Tempel, der zum Allerheiligsten führte. Der Weg für uns zum HERRN ist seither wieder frei! Jesus hat den Himmel für uns geöffnet. Wenn wir bei ihm sind, haben wir bereits ein Stück Himmelreich in unserem Herzen. Das ist die Glücksseligkeit, in Christus zu sein. Ein wunderschöner und mächtiger Vorgeschmack auf das ewige Leben im Himmelreich. Dann werden wir dieses Glück ungetrübt haben. Keine Sünde wird uns mehr von der Gemeinschaft mit Jesus trennen. Ja, wir werden ihn dort von Angesicht zu Angesicht sehen. Und bei ihm bleiben, bis in alle Ewigkeit.
Zum Schluss:
Lesen wir nochmals den Leitvers, Vers 41: «Der findet zuerst seinen Bruder Simon und spricht zu ihm: Wir haben den Messias gefunden, das heisst übersetzt: der Gesalbte.»
Wir haben den Messias gefunden. Beziehungsweise Jesus hat uns gefunden. Das war vom ersten Anfang an sein Wille, als wir noch überhaupt nicht nach ihm fragten. So ist Jesus in seiner Gnade. Die Art, wie wir zu ihm gekommen sind, ist ganz individuell. Jesus weiss, auf welche Weise er uns für sich gewinnen kann, darum wählt er für jeden und jede von uns den passenden Weg aus, wie wir zu ihm kommen. Manche von uns Gläubigen sind durch ein besonderes Erlebnis zu ihm gekommen, von dem wir wussten, dass es über das Irdische hinausging. Andere von uns sind einer Einladung zum Bibelstudium gefolgt und dadurch zum Glauben gekommen. Wieder andere sind durch ein Glaubenszeugnis, andere durch ein Bibelwort frappiert worden und wollten daher unbedingt mehr über dessen Ursache und Urheber wissen. Und nun sind wir alle bei ihm versammelt. Wunderbar verschieden und doch alle gleich vor dem HERRN. Eine riesige Herde geretteter Schafe, eine weltweite Grossfamilie, alles geliebte Glaubensgeschwister. Über uns ist der HERR, Jesus Christus. Der hält uns zusammen, so unterschiedlich wir auch sind.
So wie jeder Christ, jede Christin einen individuellen Weg zu und in Gott hat, so hat auch jeder / jede ein persönliches Bekenntnis zu Jesus. Etwas, das ihn / sie an ihm besonders berührt. Die einen betonen die Verheissungen, die auf ihn hingedeutet haben. Die anderen sein Königtum über die Welt und über die Menschenherzen. Wieder andere betonen seine Identität als Gottes Sohn. Bei mir würde ich, wenn ich jetzt nur eine Eigenschaft Christi besonders hervorheben würde, sagen: Jesus ist die personifizierte Liebe. Das ist, was mich an ihm am meisten berührt, fasziniert – und zum von ihm Lernen anregt.
Möge Jesus unseren angefangenen, und teils schon recht weit fortgeschrittenen, individuellen Glaubensweg weiterhin reichlich segnen. Tiefen Glauben in unsere Herzen pflanzen. Uns noch ganz viele «Gott-Erlebnisse» geben, kleine Abenteuer, Schlüsselerlebnisse zum von ihm Lernen. Ermutigende Worte. Geschichtsbewusstsein des schon mit Jesus Erlebten. Und die reale, in uns lebendige Hoffnung auf das ewige Leben im Himmelreich. Der Himmel ist offen. Jesus hat uns himmlische Freude. Diese ist da. Von nun an bis in Ewigkeit. Halleluja, Amen!